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Der 24. Dezember ist einer der seltsamsten Tage im Jahr. Vormittags sind alle Geschäfte rappelvoll, und die Menschen kaufen ein, als würde die Welt untergehen und es käme darauf an, so lange wie möglich durchzuhalten. Ab dem frühen Nachmittag sind dann nahezu alle verschwunden. Sie treffen sich in Wohnungen, in denen sie einen abgesägten Baum behängt haben, und veranstalten einen Warenaustausch ohne Geld, der aber viel Geld gekostet hat. Meistens sind es Menschen, die miteinander verwandt sind.
Menschen, die keine Wohnung haben oder kein Geld, können sehen, wo sie bleiben. Die Weihnachtsfeiern für arme und obdachlose Menschen, wie etwa die von Frank Zander, finden (fast) alle vor Weihnachten statt. Und auch die Geschäfte für bettelnde oder straßenzeitungsverkaufene Menschen gehen vor Weihnachten ganz gut, danach aber nicht mehr. An keinem anderen Tag im Jahr gibt es so viel Gewalt wie Weihnachten. Was also wünschen wir, wenn wir Frohe Feiertage wünschen?
Die Brüder Corey und Casey Wright haben die sozialromantische Jesus-Geschichte von Weihnachten in die heutige Zeit übersetzt. Das Little Home, in dem ein Kind zur Welt gekommen ist, hat ein Solarpanel auf dem Dach. Die Frau hat sich eben einen Kaffee-to-go geholt und der Mann macht offensichtlich ein Selfie, das er auf Facebook posten will. Der Typ draußen betreibt ökologische Landwirtschaft und checkt erstmal auf seinem Tablet, wo er hier gelandet ist. Und die drei Typen auf dem Segway-Rollern sind wahrscheinlich unter Tarif bezahlte Lieferanten des Online-Versandhändlers Amazon.
Nein, dies ist kein Plädoyer dafür, dass alles wieder so sein soll wie früher. Das geht schon allein deswegen nicht, weil es aufgrund des Klimawandels wahrscheinlich auf absehbare Zeit auch keinen Schneefall mehr zu dieser Jahreszeit geben wird. Die Klischees haben ausgedient, sie haben ihren Sinn verloren.
Was bleibt, ist ein sehr weitgehender Konsens darüber, dass es im deutschsprachigen Raum zweieinhalb freie Tage geben soll. Zweieinhalb freie Tage, an denen hoffentlich niemand aus der Wohnung geräumt wird, an denen keine böse Post von Gericht oder vom JobCenter zugestellt wird, an denen nicht gearbeitet werden muss, an denen vielleicht keine Fahrkartenkontrollen durchgeführt werden, an denen sich bestenfalls die Menschen gegenseitig in Ruhe lassen. Zweieinhalb Tage, an denen die Menschen, die auf der Straße sind, damit rechnen können, dass die anderen vielleicht ein wenig freundlicher sind als sonst. Die Feiertage als kleine Ruhepause in einer Welt, die am Abgrund taumelt. Eine Chance, einmal inne zu halten und zu sehen, wo wir gerade stehen.
Die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen kann auf ein großartiges Jahr 2019 zurück blicken. Das Wohnungslosentreffen 2019 in Herzogsägmühle - erstmalig an einem anderen Standort als in Freistatt - war ein großer Erfolg. An vielen Themen wurde gearbeitet, wie das Ergebnisprotokoll zeigt. Bereits zu Anfang des Jahres 2019 gab es Förderzusagen durch die Aktion Mensch und durch das niedersächsische Sozialministerium, so daß die Arbeit bis Anfang 2022 gesichert ist. Von den vielen Veranstaltungen waren sicher der Kirchentag in Dortmund, das Recht-Auf-Stadt-Forum in Hamburg, die Teilnahme an der EFWE-Tagung in Loccum, die Mitwirkung auf dem ERROR-Festival in Bratislava echte Höhepunkte. Die Liste der Veranstaltungen, an denen Menschen aus der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen mitmischten und ihre Anliegen zur Sprache brachten, ist lang. Für das Jahr 2020 sind schon viele weitere Veranstaltungen geplant und verabredet.
Ein weiterer Meilenstein war die Gründung eines eigenen Vereins der Selbstvertretung Anfang Oktober 2019 im Rahmen des Koordinierungstreffens. Damit verfügt die Selbstvertretung nun über eine eigene Rechtsform. Das beinhaltet die Chance einer wirklichen formalen und rechtlichen Unabhängigkeit, die in den nächsten Jahren entwickelt und ausgebaut wird. Das ist bei weitem kein Selbstzweck, sondern es geht darum, diese Gesellschaft nachhaltig zu verändern.
Eine Wohnung darf keine Ware sein. Eine Wohnung dient der Daseinsvorsorge. Es kann nicht angehen, dass Menschen, die keine Wohnung (mehr) haben, dauerhaft auf unzureichende und unzumutbare Kältehilfeangebote und zwangsgemeinschaftliche Notübernachtungen angewiesen sein sollen, ohne Perspektive auf Veränderung. Und es kann auch nicht sein, dass Menschen, die auf der Straße sind, lediglich diese Form von Hilfe angeboten bekommen. Es kann nicht angehen, dass Menschen aufgrund von Profitinteressen aus ihrer Wohnung zwangsgeräumt werden. Es kann nicht angehen, dass Menschen auf der Straße von Ordnungskräften von ihren Schlafplätzen gewaltsam vertrieben werden. Das Menschenrecht auf Wohnung ist unteilbar, und die Selbstvertretung setzt sich dafür ein, dass Obdachlosigkeit und Wohnungsnot überwunden werden.
Aber das allein ist nicht alles: Die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen ist auch ein soziales Netzwerk, eine Gemeinschaft von Menschen, die sich gegenseitig unterstützen und füreinander da sind.
Lasst uns diese Zeit der Feiertage nutzen, um Grüße zu senden und um miteinander in Verbindung zu bleiben.
In diesem Sinne wünsche ich frohe Feiertage und einen guten Start in das neue Jahr 2020!
Stefan
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Vorbemerkung:
Von der BAG-Bundestagung traf ein Bericht ein von Corinna (Pforzheim) ein, in dem sie unter anderem über das Forum Partizipation stärkt, schützt und ermächtigt – Forschungsergebnisse einer empirischen Studie mit wohnungslosen und ehemals wohnungslosen Frauen berichtet.
Zu diesem Bericht gibt es eine ergänzende Erläuterung von Prof. Dr. Beate Blank (Villingen-Schwenningen).
Abschließend ergänzt Markus (Frankfurt am Main) mit einigen Hinweisen.
Die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen war zudem noch mit einem eigenen Infostand auf der Bundestagung vertreten.
Corinna (Pforzheim) berichtet:
Alles rund ums Wohnen und Nicht-Wohnen – Für eine Nationale Strategie zur Überwindung von Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit
Bundestagung der BAG Wohnungslosenhilfe e. V. 2019 - Tag 3 (13. November)
Vom 11. bis 13. November 2019 fand in Berlin die Bundestagung 2019 der BAG Wohnungslosenhilfe e. V. statt. Corinna und Ilse waren als Referentinnen im Rahmen des Vortrags „Partizipation stärkt, schützt und ermächtigt“ für die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen eingeladen.
Den Vortrag „Partizipation stärkt, schützt und ermächtigt – Forschungsergebnisse einer empirischen Studie mit wohnungslosen und ehemals wohnungslosen Frauen hielt Prof. Dr. Beate Blank von der Hochschule Villingen-Schwenningen. Ilse und Corinna sollten dazu eine Stellungnahme abgeben.
Ilse hat darüber berichtet wie sie in die Wohnungslosigkeit geriet und was die Notfallhilfe Köln wohnungslosen Menschen anbietet. Gleich zu Beginn der Wohnungslosigkeit wurde ihr eine Arbeit zugeteilt. Dabei ist die Arbeit die wohnungslose Menschen verrichten egal - Hauptsache man hat eine Tagesstruktur. Jeder Wohnungslose bekam seinerzeit pro Woche 40 DM auf die Hand. Es wurde auch kein Unterschied gemacht zwischen Männlein und Weiblein.
Corinna hat in diesem Rahmen die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen vorgestellt und erläutert wie wir arbeiten und mit wem.
Nachdem ich meinen Vortrag beendet habe war Totenstille im Raum. Erst als Beate Blank noch einmal zu einer kurzen Diskussion die anwesenden 36 Personen aufforderte meldeten sich zwei Zuhörer. Ein Mitarbeiter der Erlacher Höhe Freudenstadt bewertete meinen Vortrag sehr kritisch: „Auch wenn wir wohnungslos waren, dann treten wir als Selbstvertretung schon sehr selbstbewusst und professionell auf. Wir könnten schon als Sozialarbeiter arbeiten, wir haben bereits das Expertenwissen und können die Fachsprache.“ Corinna entgegnete darauf dass sie ohne Studium keine Chance habe und auch schon diesbezüglich nachgefragt habe. Einige Teilnehmer aus den Einrichtungen waren darüber sehr froh. „Wir würden möglicherweise das bestehende System sprengen.“ Ein weiterer Kommentar von Seiten der Erlacher Höhe unterstellte „dass wir uns den Beruf ausgesucht haben wohnungslos zu sein, damit wir auf jede Veranstaltung fahren können und nicht mehr arbeiten müssen.
Auf den Vortrag von Beate Blank wurde in dieser Diskussion nicht mehr eingegangen.
Weiteres Programm der Bundestagung
Im Anschluss an den Vortrag von Beate Blank sprach der Bürgermeister Bezirk Mitte Stephan von Dassel über die kommunale Wohnungspolitik in Berlin. Er hob in seiner Rede hervor, dass Berlin sehr viel daran gelegen ist die Wohnungslosigkeit einzudämmen und Wohnungslose entweder von der Straße zu holen oder wenigstens in das Hilfesystem zu integrieren. Leider klappt dies nicht immer oder gar nicht wie er an einem Beispiel schildert. „Ein frisch operierter im Rollstuhl sitzender Mann wurde aus der Klinik entlassen und wurde wohnungslos. Von Dassel bot ihm seine Hilfe an, damit er so schnell wie möglich eine neue Wohnung findet. Er übergab seine Visitenkarte und setzte seine Mitarbeiter unter Druck dass sie alles tun sollten um diesen Mann ins Hilfesystem zu integrieren. Leider klappte dies überhaupt nicht, weil der Mann Scham hatte Hilfe zu beanspruchen.“
In diesem Zusammenhang berichtete der Bürgermeister auch dass die Hilfe auf der Straße in Berlin intensiviert werden soll – insbesondere auch bei traumatisierten Menschen. Der Berliner Senat will in die Straßensozialarbeit investieren, mehr Streetworker einstellen und auch Streetworker mit psychiatrischer Ausbildung in die Brennpunkte schicken. Es soll auch eine Vernetzung geben.
Nachdem der Bürgermeister seinen Vortrag beendet hatte stürmte ein Teilnehmer aus Berlin auf die Bühne und bezichtigte ihn als Rassisten gegenüber Wohnungslosen. Er sei derjenige der die „Platten“ räumen lässt und Wohnungslose vertreibt. Von Dassel ging nicht mehr auf diese Vorwürfe ein und verwies auf eine Stellungnahme auf seiner Homepage.
Der nächste Referent war Andrej Holm. Er berichtete über die „Krisen in der sozialen Wohnraumversorgung“. Andrej erläuterte die Wohnraumsituation in Berlin und davon dass die Wohnung vielfach nur noch als Investitionsprodukt angesehen wird. Viele Vermieter setzen ihre Mieter unter Druck, stellen Wasser und Energieversorgung ab, schreiben fiktive Sanierungsvorhaben oder ähnliches. Bei solchen Ankündigungen und weiteren psychischen Schikanen bekommt ein Teil der Mieter Angst und suchen sich andere Wohnungen zu anderen Konditionen. Die neueste Masche der Vermietenden ist eine Kündigung der Wohnung wegen Bagatellen. So berichten Mieter dass sie eine Kündigung erhalten haben, weil sie angeblich unberechtigterweise Stühle auf den Balkon gestellt haben. Diese Mieter haben sich daraufhin bei einem Rechtsanwalt kundig gemacht und sich über die Rechtslage informiert. Der Rechtsanwalt meinte sie müssen nichts befürchten. Der Vermieter kann deshalb nicht kündigen.
„Es gibt auch einen ständigen Konflikt zwischen dem Wohnen als Zuhause und dem Wohnen als Immobilie“
Das reichste Land der EU hat 678.000 Wohnungslose. Es gibt genügend Wohnungen für alle. Sie sind nur falsch verteilt. Ein großer Teil ist in Privatbesitz und nicht gemeinnützig. Auf der anderen Seite wird ständig gebaut zu Quadratmeterpreisen die sich kaum noch der Durchschnittsverdiener leisten kann. Was nicht steigt ist der gemeinnützige Wohnungsbau Hier hat die Regierung bereits 1989 die gesetzliche Regelung der Gemeinnützigkeit aufgehoben. Es gibt zwar noch Bestandswohnungen mit Gemeinnützigkeit aber deren Belegungsbindung läuft aus und damit sind die Wohnungen der freien Marktwirtschaft preisgegeben. Der Vermieter kann mit seinen Wohnungen tun und lassen was er will.
Anders sieht es in Österreich aus, wie Andrej erläuterte. Hier freuen sich die Mieter auf das Ende der Mietpreisbindung. Danach werden die Mieten günstiger, weil das Haus abbezahlt ist.
„Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit“, bemerkte Horst Seehofer 2018. Andrej Holm überlegte kurz und meinte dies schon einmal gehört zu haben. Er recherchierte nach und konnte einen Bezug zu Friedrich Engels (1872) und Damaschke (1904) herstellen. Das heißt die Wohnungsfrage beschäftigt uns also nicht erst seit die EU Erweiterung nach Osten geöffnet ist oder Fluchtbewegungen nach Europa und Deutschland strömen, sondern seit mehr als 150 Jahren. Nur hatten die Regierungen seinerzeit nach Lösungen gesucht und umgesetzt. Unsere heutige Regierung ist weit davon entfernt Lösungen zu suchen oder umzusetzen. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Man will es auch nicht und wenn doch werden Vermietende oder Bauherren bevorzugt. So hat die Regierung vor einigen Jahren das Baukindergeld wieder eingeführt. Dies nutzt dem normalen Mieter nichts. Es sei denn er baut ein Haus und Kinder. Denn nur wer ein Eigenheim baut und Kinder hat profitiert davon.
Auch das Wohngeld nutzt den meisten Mietern nichts um sich Unterstützung vom Staat zu holen. Die Mietbelastung liegt in einer Höhe von 42,6 % des Einkommens, die durchschnittliche Leistbarkeit eines Einkommens bei 30 %. Zusätzliches Wohngeld bekommen bundesweit nur 160.000 Haushalte oder 1,2 % der Haushalte in Deutschland.
Vor einem Jahr tagte der „Alternative Wohngipfel“ in Berlin. Hier haben sich verschiedene Akteure wie z. B. DGB, BAGW, Deutscher Mieterbund und weitere Initiativen zusammengetan um zu beraten wie man den Staat dazu bringen kann Wohnungen zu bauen. Es gab seitdem auch immer wieder verschiedene Aktionen. So hat man z. B. am 19. September eine Menschenkette gebildet um gegen den Mietenwahnsinn zu protestieren.
Stefan Körzell, DGB: „Viele Arbeitnehmer können sich heute bezahlbaren Wohnraum leisten. Deshalb hat man sich diesem Bündnis angeschlossen. Auf dem Wohngipfel gab man uns nur 90 Sekunden Zeit um über die Mietsituation zu reden. Deshalb hat man sich schon im Vorfeld zusammengesetzt und die Positionen dargelegt. Um Veränderungen durchzusetzen müssen wir uns verbünden und vernetzen. Damit können wir Druck von unten aufbauen.
Der Deutsche Mieterbund beteiligt sich seit neuesten auch an dem Bündnis. Man hat erst Überzeugungsarbeit beim Landesverband leisten müssen. Aber es ist ein erster Schritt um Kampagnenarbeit organisieren zu können. Auch sie plädieren dafür dass die Mieter laut werden müssen um Druck aufzubauen und Veränderungen in Gang zu bringen.
Die BAGW ist seit Jahren aktiv in Bündnisarbeit und macht immer wieder aufmerksam kleinere Schritte der Wohnungspolitik zu verändern.
Es sind nicht die großen Schritte die in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, sondern die kleinen Aktionen wie z. B. eine Hausbesetzung, meinte auch Andrej Holm in seinem Schlussplädoyer. Unsere Mieten steigen ja nur um 1,2 % pro Jahr. Dies ist aus Sicht der Experten angeblich noch leistbar. Aber unsere Einkommensspirale macht dies nicht mehr mit. Deshalb wird auch immer wieder gekündigt und die Häuser verkauft.
Aus der Reihe der Teilnehmenden gab es deshalb den Vorschlag dass eine Kündigungssperrfrist für neue Vermieter von Wohnungen und Häusern gesetzlich eingeführt werden.Damit kann man Entmietungen entgegenwirken.
Verena Rosenke machte zum Schluss noch auf eine Veranstaltung im März aufmerksam: Am 29. März soll in Berlin wieder eine Großdemo zum Thema Wohnen stattfinden.
Beate Blank (Villingen-Schwenningen) erläutert dazu:
Nun schalte ich mich doch per Mail ein, obwohl mir bewusst ist, dass Mails kaum zur Klärung beitragen können. Aber ein Versuch ist es wert. Vielleicht kann ich Missverständnisse aufklären und vermeiden, dass einzelne Personen möglicherweise beschädigt werden. Dies wäre aus meiner Sicht völlig unbegründet und sicherlich von niemandem beabsichtigt. Herr Günther hat mich in seiner Mail an Herrn Sartorius angesprochen. Gerne will ich meine Wahrnehmung kurz darstellen.
Aus meiner Sicht vermischen sich einige Ebenen, die an dem Vormittag im Workshop direkt und indirekt angesprochen wurden. Da ist zunächst die Ebene der Reaktionen der Teilnehmenden auf die Selbstvertretung wohnungsloser oder ehemals wohnungsloser Frauen. Seit vielen Jahren beobachte ich die ambivalenten Reaktionen auf ihr selbstbewusstes Auftreten. Dies führt nicht selten zu mitunter sehr persönlichen Anfragen an die Referentinnen und dazu, dass sie sich für ihr zivilgesellschaftliches Engagement als (ehemals) wohnungslose Frau rechtfertigen müssen. Gleichzeitig frage ich mich, ob die Fragen an die männlichen Mitglieder der Selbstvertretung auch in dieser Art und Weise gestellt worden wären? Corinna Lenhart und Ilse Kramer wurden nicht nur von Herrn Günther persönlich angesprochen. Da waren einige kritische Anfragen mehr aus dem Publikum. Nach vielen vergleichbaren Situationen stelle ich ganz klar einen Gender-Unterschied in der Ansprache von (ehemals) Betroffenen fest, nehme aber auch wahr, dass dies dem Publikum nicht bewusst ist. Wie auch immer Ihre persönliche Antwort ausfiele und unabhängig von Gender-Aspekten haben sich die Teilnehmenden, nach anfänglichem Schweigen, sehr intensiv beteiligt. Dies ist ja das Ziel eines Workshops. Insgesamt ist dies auch ein persönlicher Erfolg für Corinna und Ilse. Sie haben klar gemacht was sie wollen und weshalb sie sich in der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen engagieren.
Die inhaltliche Ebene der Diskussion war m. E. sachlich und inspirierend. Einzelne Beiträge habe ich während der Veranstaltung unmittelbar kommentieren können. Beispielsweise die Frage nach kreativen Erprobungsräumen in den Einrichtungen oder nach Ermächtigungsstrategien von ehemals wohnungslosen Frauen für aktuell betroffene Frauen in einer Notunterkunft. Ohne die kritischen Anfragen der Teilnehmenden hätten wir diesen Erkenntnis- und Lernprozess nicht gemeinsam machen können.
Der Diskussion - gewissermaßen im Subtext unterlegt - war die Ebene der Partizipation in den Strukturen und dem Hilfesystem der Wohnungslosenhilfe. Die Frage der Alibipartizipation (Tokenism) habe ich im Rahmen meines Vortrages als eine Form der Nicht-Partizipation, so die Forschung, angesprochen. Auf der Ebene der strukturell noch nicht verwirklichten Partizipation ist der Grat zur Instrumentalisierung der Betroffenen schmal. Tagungen und Gremienarbeiten sind grundsätzlich anfällig für Alibi-Strukturen. Saul Alinsky spricht deshalb in Community Organizing von „der Macht der Vielen“ die es bedürfe, um mächtige Strukturen zu verändern und um gestärkt als Person daraus hervorzugehen. Nun ist aber eine BAG W Tagung nicht die Community der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen. Auch kann davon ausgegangen werden, dass Corinna und Ilse erfahrene Expertinnen sind, die wissen auf was sie sich einlassen, wenn sie sich auf ein Podium setzen. Trotzdem hoffe ich, dass sie in ihrer Peer Group gut unterstützt werden. Stefan Schneiders Bitte um Stellungnahme und Jürgen Schneiders Koordinationsangebot verstehe ich in diesem Sinne.
Sollte es weiteren Gesprächsbedarf geben, komme ich gerne nach Freudenstadt.
Markus (Frankfurt am Main) berichtet ergänzend:
BundesArbeitsGemeinschaft für Wohnungslosenhilfe ... 3-tägige Fachtagung zu Verarmung und Wohnungsnot ...
Auf der diesjährigen Bundestagung BAGW im Mercure Hotels Moa Berlin in Berlin waren nicht nur ca. 970 Teilnehmende aus ganz Deutschland, darunter viele im Sozialbereich Tätige - SozialarbeiterInnen - , sondern auf den Podien konnte man erstmals Vertreter von CDU und FDP begrüßen und sogar Kooperationsanfragen mit Vertretern von "Haus und Grund" diskutieren.
Am Montagvormittag, sogar schon Sonntagnachmittag, gab es Möglichkeit zu Projektbesuchen in Berlin vor Ort. Die Stadtmission in der Lehrter STraße informierte über das medizinische Angebot und deren Entwicklung in den letzten 5 bis 10 Jahren sowie das "Berliner Klientel". Aufgeworfen wurden auch Fragen, inwieweit SozialarbeiterInnen mit 2.400 Euro brutto für 30 Euro/Wochenstunden sich Mietwohnungen in Berlin leisten können. Ähnliches gilt vielleicht in München und Frankfurt, doch Bundesländer handhaben unterschiedlich. Und inwieweit Medizinstudenten oder Ärzte, die mit 24h-Schichten und Nachtdiensten hart rangenommen werden, sich zusätzlich ehrenamtlich für Obdachlose engagieren können.
Partizipation soll helfen, dass Armut und Obdachlose wieder zu Tagesstrukturen und sinnvollen integrativen Tätigkeiten kommen. Hier stellten sich das Dorf Freistatt bei Osnabrück und Herzogsägmühle bei München mit ihrem aktuellen Angebot und ihrer Geschichte vor. Zudem wurde auf der Mitgliederversammlung ein "Partizipations-Fonds" beschlossen, der zukünftig Teilnehmenden ermöglichen soll, an Events zu partizipieren und dabei mit Fahrt- und Unterkunftskosten und sonstigem Aufwand voll unterstützt zu werden.
Ein wissenschaftlicher Vortrag fragte, wer den prekär Lebende seien und unterschied drei Zonen, die gut Integrierten, die Präkaren und die Exkludierten, anhand von verschiedenen Daten und auch konkreten Fotos, vom Gruppenfoto der Bürokaufleute über die Wohnungssuchende in München bis zu den Obdachlosen unter der Brücke.
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Gemeinsames Ergebnisprotokoll der Arbeitswoche der Koordinierungsstelle der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen 09.-13.12.2019 Freistatt
Anwesende
Astrid (Freistatt/ zeitweise) Axel (Berlin / zeitweise) Bianca (Herzogsmühle) Carsten (Herzogsägmühle) Corinna (Pforzheim, ab Donnerstag), Dirk (Freistatt) Frank (Freistatt/ zeitweise), Gaby (Freistatt, zeitweise) Hanne-Lore (Lüneburg), Ilse (Köln, Montag-Donnerstag), Janine (Freistatt, zeitweise) Jürgen (ANW), Karsten (Mainz), Lutz (Herzogsägmühle) Marcus (Freistatt/ zeitweise), Maria (Berlin, ab Dienstag), Markus (Herzogsägmühle), Olaf (Freistatt), Thomas (Herzogsägmühle), Regina (Wien), Stefan (Berlin), Uli (Herzogsägmühle), Uwe + Hund Arko (Lüneburg), Werner (Berlin)
Montag, 09.12.2019, Vormittags
Wir sammeln die Themen und verteilen sie auf die Woche. Die Themen sind:
- Geld, Strategien & Konfliktkommunikation (Mo nachmittag)
- Geschäftsordnung ausarbeiten
- Obdachlosenzählung in Berlin
- Social Media und Printmedien
- Auswertung bestehender Veranstaltungen
- Regional-Gruppen bilden / Frauengruppe
- Vorstandssitzung ab Do 14:00 Uhr
- Zusammenfassung der Ergebnisse Freitag nachmittag,
- weitere Themen nach Vereinbarung
Montag, 09.12.2019, nachmittags
Wir sprechen die Bewilligung für den Antrag Koordinierungsstelle (Modellprojekt des Landes Niedersachsen) sowie den Antrag bei der Aktion Mensch (Wohnungslosentreffen 2019-2021) durch und besprechen damit verbundene Fragen.
Insbesondere bei der Abrechnung ist besondere Sorgfalt geboten, um den Richtlinien zu entsprechen (z.B. Originalbelege zur Abrechnung, alle Ausgaben müssen zweckgebunden sein.
Der Text der Anträge wird kopiert und liegt allen anwesenden Menschen vor.
Der neue Geschäftsführer von Bethel im Norden, Claus Freye ist kurz zu Gast, stellt sich vor und sagt seine Unterstützung für das Projekt Selbstvertretung vor.
Dienstag, 10.12.2019 vormittag
Arbeit in den Arbeitsgruppen Geschäftsordnung und Obdachlosenzählung (sog. Nacht der Solidarität)
Dienstag, 10.12.2019 nachmittags
Uli berichtet über die Ergebnisse der AG Geschäftsordnung
Wir diskutieren das Thema Obdaclosenzählung
Mittwoch, 11.12.2019 vormittag
Wir erarbeiten gemeinsam eine Übersicht der Veranstaltungen, die im Laufe des Jahres 2019 unter Beteiligung von Menschen der Selbstvertretung stattfanden (siehe FOTO).
Sichtbar wurde
1. die große Fülle an Veranstaltungen
2. die Verschiedenheit der Formate.
Zu einer Einzel-Auswertung der Veranstaltungen sind wir nicht gekommen.
Mittwoch, 11.12.2019, Social Media Gruppe
Ergebnisse siehe Foto (Anlage)
Mittwoch, 11.12.2019 nachmittag, Donnerstag, 12.12. vormittag und Freitag, 13.12.2019 vormittag (zusammengefasst)
Thema war die Zielsetzungen des Vereins. Wir haben unterschieden in
- Leitbild,
- Aussagen der Programme der Wohnungslosentreffen (z.B. 5-Punkte-Programm aus 2018) und
- Satzungszwecke.
Vorgeschlagen wurde die Zielentwicklung nach Balance-Score-Card. Hier gibt es 4 Dimensionen
Finanzen (F) | ||
Kunden / Adressaten (KA) |
Mitarbeiter/ Aktive (MA) | |
Prozesse/ Strukturen (PS) |
Diesem Muster entsprechend haben wir 4 Gruppen gebildet, diese haben ihre Ergebnisse vorgestellt. Vereinbart wurde, aus den Ergebnissen der Gruppenarbeit maximal 3 Ziele festzulegen.
Ziel | Messzahl | Zielwert | Termin | Verantwortliche |
F1 Födermitglieder sind gewonnen | Mitglieder | 100 | 31.07.2020 | Lutz, Markus (Mühle), Werner (Berlin) |
F2 638 Amtsgericht sind über die Selbstvertretung informiert als Bußgeldmöglichkeit (Flyer, Überweisungsträger, Karten mit Daten und QR-Code a) sind angeschrieben b) persönlich informiert | Anzahl | a) 638 b) 10 | 31.07.2020 | Karsten (Mainz), Jürgen Schn. |
F3 Ein Projekt der Selbstvertretung ist gefördert | Anzahl | 1 |
31.12.2020 | Olaf, Hanne-Lore, Uwe |
KA 1 Botschaften sind formuliert (Problembeschreibung + Lösung) | Anzahl | 5 | 29.02.2020 | Markus (Mühle), Bianca (Mühle), Astrid (Freistatt) |
KA 2 Ein Konzept für Öffentlichkeitsarbeit ist erstellt | Anzahl | 1 | 31.07.2020 | Bianca (Mühle), Maria (Berlin), Astrid (Freistatt) |
KA 3 Eine Kampagne der Öffentlichkeitsarbeit ist gestartet | Anzahl | 1 | 30.11.202 | Dirk (Freistatt), Markus (Mühle) |
MA 1 Eine Fortbildung zum Vereinsrecht für Vorstand+ Reginalgruppenkoordinierende ist durchgeführt | Anzahl | 1 | 30.04.2020 | Frank (Freistatt) |
MA 2 Training für Lobbyarbeit ist durchgeführt (Auftreten vor anderen, Argumentation, Präsentation, Auftritt im Rahmen einer Veranstaltung, Sprechen) | Anzahl | 1 | Wohnungslosentreffen 2020 19.-26.07.2020 | Frank, Dirk (Freistatt) |
PS 1 Prozessabläufe und Checkliste für a) Arbeitsgruppentreffen, b) Koordinierungstreffen c) Wohnunglosentreffen sind erstellt |
Anzahl | 3 a) 1 b) 1 c) 1 |
28.02.2020 | Orga-Team (Frank, Janine, Jürgen, Stefan) Koordinierungsstelle (Olaf, Dirk) Hanne-Lore, Uwe |
PS 2 Prozessabläufe und Checkliste für Teilnahme an Tagungen sind erstellt | Anzahl | 1 | 31.03.2020 | Stefan (Berlin), Carsten (Mühle), Bianca (Mühle), Hanne-Lore (Lüneburg) Maria (Berlin) Astrid (Freistatt) Markus (Mühle) |
Donnerstag, 12.12.2019 nachmittag – Vorstandssitzung
Protokoll wird erstellt von Corinna. Über die Vorstandssitzung berichtet eine Pressemeldung von Corinna & Werner (siehe Anlage)
Freitag, 13.12.2019 vormittag
1. Pressemitteilung
Werner und Corinna erarbeiten eine Pressemitteilung. Dazu wurde ein Foto aufgenommen. Pressemitteilung mit Foto soll verbreitet werden über
a) Webseite Wohnungslosentreffen
b) Freistätter Onlinezeitung
c) Medienverteiler
2. Obdachlosenzählung / sog. „Nacht der Solidarität“ am 29./30.01.2020
Der Entwurf einer Stellungnahme von Menschen aus der Selbstvertretung wurde gemeinsam erarbeitet (Dienstag nachmittag).
Inhaltlich stimmen alle Anwesenden damit überein.
Verabredet wurde,
a) die Stellungnahme weiter zu überarbeiten (Kürzung / Straffung)
b) in der Nacht der Solidarität eine Kundgebung vor dem Roten Rathaus in Berlin durchzuführen.
- Feuerschale
- Aufsteller und Infomaterial
- Stellungnahme in Papierform
- Kreuze von Jürgen (Potsdam) als Mahnung an die Kältetoten
- ggf. Suppe und oder Verpflegung
- mit Bündnispartnern, z.B. Wohnungslosenparlament, Plattengruppe und Tee- und Wärmestube Neuköln, Karuna bzw. Momos und Armutsnetzwerk.
weiteres:
- Start der Medienkampagne ab 27.01.2020 bei Karuna in Kreuzberg (Verantwortlich für den Raum: Werner)
- Anmeldung der Kundgebung (Stefan)
- Informationen an alle Menschen aus der Selbstvertretung, damit sie sich regional an der Kampagne mit Solidaritätsaktionen beteiligen können.
- Arbeitsgruppe: Werner (Berlin) Maria (Berlin), Axel (Berlin), Dirk (Freistatt), Stefan (Berlin)
3. Gerätebedarf
Anträge für Anschaffungen für die Selbstvertretung mit Beschreibung und Begründung und Preis mögen bitte gestellt werden bis zum 14.01.2020 per email.
Das Orga-Team (Frank, Stefan, Janine, Jürgen) wird auf dem Treffen am 15.01.2020 darüber entscheiden.
4. Freistellungsbescheid
Frank Kruse informiert darüber, dass per Schreiben vom 04.12.2019 der Freistellungsbescheid vom Finanzamt Sulingen für den Verein Selbstvertretung wohnungsloser Menschen eingegangen ist. Der Freistellungsbescheid ist eingescannt und an die Vorstandsmitglieder verteilt.
Das Original sowie alle weiteren Vereinsdokumente werden in einem Raum im Haus Wegwende archiviert.
Weitere (vereinbarte) Termine (siehe auch Terminliste)
- Arbeitsgruppentreffen – Programmkonferenz für das Wohnungslosentreffen 2020
25.05. - 28.05.2020, Boden, Tirol
Während dieses Treffen Vorstandssitzung (7 Vorstandmitglieder + 4 beratende Mitglieder Orga-Team) 11 Menschen (geplant)
dazu 9 weitere offene Plätze, sowie Menschen für Catering - Koordinierungstreffen Herbst 2020 – Freistatt
09. September Anreise bzw. Vorstandssitzung ab 14:00 (geplant)
12. September Abreise nach Frühstück - Frauenfachtagung 13.-15.01.2020, Felicitas Dittrich, Ev. Fachhochschule Bochum. Bisher Zusagen von Regina (Wien), Gaby (Freistatt), Hanne-Lore (Lüneburg), Maria (Berlin), Bianca (ggf.), Dagmar (Mainz), Ilse (Köln), Astrid (Freistatt)
Verhindert: Corinna (Pforzheim)
Anlagen
1. Pressemitteilung zur Konstituierenden Vorstandssitzung des Vereins Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V. i.G. [FEHLT NOCH)
2. Entwurf einer Stellungnahme zur Obdachlosenzählung / sog. „Nacht der Solidarität“ am 29./30.01.2020
3. Foto von der Gruppe Social Media
ANLAGE 1 - liegt noch nicht vor (Werner)
ANLAGE 2 – gesondertes Dolument
STATUS ENTWURF: Position der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen zur „Nacht der Solidarität“ vom 29. auf den 30. Januar 2020 in Berlin
In der Nacht vom 29. auf den 30. Januar 2020 will der Berliner Senat obdachlose Menschen, die vom bestehenden Hilfesystem bisher ungenügend erreicht werden und auf der Straße leben, zählen.
Der Senat gibt an, dass er auf Grundlage der Ergebnisse aus dieser Nacht seine Hilfs- und Beratungsangebote ausweiten und spezialisieren will.
Gegenwärtig schätzt der Berliner Senat die Zahl der obdachlosen, auf der Straße lebenden Menschen auf 6.000 – 10.000 Menschen.
(Quelle: https://www.berlin.de/nacht-der-solidaritaet)
Menschen aus dem Netzwerk der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen möchten dazu wie folgt festhalten:
- Aus Sicht von wohnungslosen Menschen ist die Zählung bedrohlich. Fremde Menschen in Gruppen durchstreifen den öffentlichen Raum und sprechen beliebig Menschen an, die sie für obdachlos halten.
- Es ist für Menschen, die auf der Straße leben, ein würdeloser Vorgang, gezählt zu werden, ohne dass die Situation grundlegend verändert wird.
- Der Nutzen der Zählung ist für wohnungslose Menschen nicht erkennbar.
• unauffällige obdachlose Menschen werden gar nicht erkannt.
• Menschen werden aufgrund von Zuschreibungen und Wertungen als obdachlos eingestuft, obwohl sie gar nicht obdachlos sind.
• jemand, der nicht gezählt werden will, wird sich der Zählung entziehen
• Menschen, die sich in Parks, Dachböden, Kellern, Kleingartenanlagen, im Wald usw. aufhalten, werden auch gar nicht erfasst.
• wir befürchten, dass die verschiedenen Teilgruppen obdachloser Menschen gegeneinander ausgespielt werden sollen, z.B. Menschen aus anderen Ländern und Menschen ohne Papiere, Leistungsansprüche usw. - Der Senat beschränkt seine Zählung selbst, in dem er festlegt: „Wir gehen nicht in die Parks, wir gefährden uns nicht selbst“. Das bestätigt unser Argument, dass die Zählung als Bedrohung angesehen wird.
- Wir bezweifeln, dass die Zählung überhaupt den gewünschten Erfolg haben wird.
- „Steuerung der Unterbringung wohnungsloser Menschen“ - mit dieser menschenverachtenden Formulierung begründet der Senat seine Zählung. Die Zählung hat eine Alibi-Funktion, Tiere werden gezählt – Menschen muss geholfen werden. Im Fall von wohnungslosen Menschen muss das eine Wohnung sein.
- Die Wohnungspolitik des Senats ist mit verantwortlich für die erhebliche Zunahme der Wohnungsnot und Obdachlosigkeit. Jeden Tag werden in Berlin einzelne Menschen und Familien zwangsgeräumt. Und für Menschen ohne Wohnung ist es gegenwärtig nahezu aussichtslos, eine eigene und bezahlbare Wohnung finden zu können.
- Wir können nicht erkennen, dass der Senat auf Grundlage der Zählung bezahlbare und menschenwürdige Wohnungen schaffen bauen oder erwerben wird.
- Die Menschen von der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen wollen ihren Beitrag leisten zur Überwindung von Wohnungslosigkeit, Wohnungsnot und Hilflosigkeit. Statt auszuschwärmen und die Stadt zu durchsuchen, wäre es sinnvoller, einladende Anlaufpunkte zu schaffen, in denen obdachlose Menschen freiwillig ihre Bedarfe und Wünsche und Vorstellungen äußern können. Öffentliche Orte, an denen das möglich wäre, gibt es in Berlin genug, wie z.B. Schulen, Bibliotheken, Rathäuser.
- In dem 5 Punkte Programm aus dem Jahr 2018 hat die Selbstvertretung angeboten und vorgeschlagen, dass sich wohnungslose Menschen aktiv in den Wohnungsbau einbringen wollen, sowohl bei der Planung als auch bei der Durchführung.
- Grundsätzlich wichtig und richtig, dass das Problem eine hohe Aufmerksamkeit bekommt, dass etwas zur unmittelbaren Hilfe für obdachlose Menschen getan wird und dass die Aufgabe der Schaffung von bezahlbaren Wohnungen für wohnungslose Menschen in Angriff genommen wird. Allerdings haben wir – wie oben genannt – erhebliche Zweifel, ob eine Zählung der richtige Weg ist.
- Wir laden ein während der Nacht der Solidarität zu einer Kundgebung und Mahnwache vor dem Roten Rathaus in Berlin.
Wir laden die Berliner Bevölkerung dazu ein, sich mit Schlafsäcken, Decken und Isomatten an unserer Kundgebund zu beteiligen.
Wir möchten mit allen über unsere Sichtweise ins Gespräch kommen.
Wir werden allen obdachlosen Menschen gedenken, die auf der Straße verstorben sind.
ANLAGE 3 – Foto
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Am 12 Dezember 2019 wurde in Freistatt die konstituierende öffentliche Vorstandssitzung des in Gründung befindlichen Vereins Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V. abgehalten. Nach längerem Warten auf den Bescheid der Gemeinnützigkeit traf dieser am 4.Dezember ein.
Ein Bestandteil der Tagesordnung war die Erstellung einer Geschäftsordnung.Der Vorstand hatte gut vorgearbeitet so dass nach intensiver Diskussion diese einstimmig angenommen wurde.
Ein weiterer Schwerpunkt beinhaltete die Diskussion im Vorfeld über die Mitgliederanträge. Die Geschäftsordnung und die Annahme der Mitgliederanträge müssen von der Mitgliederversammlung bestätigt werden.
Der Vorstand wurde beauftragt ein Konto einzurichten um handlungsfähig zu sein. Der Verein hat beschlossen pro Quartal eine Vorstandssitzung durzuführen.In der Vorstandssitzung wurden Ziele definiert die die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V.vorwärts bringt und dazu beitragen die Wohnunglosigkeit abzubauen.Sie setzt sich dafür ein bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Unserem Slogan gemäß "Alles verändert sich wenn wir es verändern" gehen Vorstand und Mitglieder des Vereins motiviert an die Arbeit.
Corinna (Pforzheim)
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Frauen Power
„Wo stehe ich? Wo wollen wir hin? - Unsere Stimmen in der Selbstvertretung“
Einladung zu einer Tagung für wohnungslose und ehemals wohnungslose Frauen
Einladung Tagung Frauen-Power-Selbstvertretung-Januar-2020.pdf
Liebe Frauen im Netzwerk der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen,
Frauen haben in der Gesellschaft häufig andere Aufgaben zu erfüllen als Männer. Von klein auf wird uns beigebracht, wie wir uns als Mädchen zu verhalten haben. Wir sollen zum Beispiel einfühlsam sein und mit Puppen spielen. Gleichzeitig wird Jungen beigebracht, dass sie als Männer stark und bestimmt sein sollen und dass es ‚männlich‘ ist, sich zu raufen oder sogar zu prügeln. So gibt es ganz bestimmte Vorstellungen in der Gesellschaft davon, wie Frauen und wie Männer zu sein haben. Und diese Vorstellung begleitet uns unser Leben lang und bestimmt auch, welche Entscheidungen wir treffen und wie wir uns verhalten.
Zum Beispiel hat dies einen Einfluss darauf, wie Frauen sich verhalten, wenn sie in Wohnungsnot sind, aber auch, wie sich Frauen in Diskussionen und in Gruppen mit anderen Menschen verhalten.
Vom 13. Bis zum 15 Januar möchte ich daher gemeinsam mit Euch schauen, welche Erfahrungen ihr als Frauen in der Selbstvertretung und in anderen Interessenvertretungen gemacht habt und welche Sichtweisen und Meinungen IHR in Bezug auf die Selbstvertretung habt. Gerne möchte ich mit Euch überlegen, welche Möglichkeiten es gibt, wie die Selbstvertretung das Engagement von Frauen fördern kann.
Dabei ist es nicht so wichtig, ob Ihr die Selbstvertretung schon lange kennt oder viel mit ihr macht. Auch wenn Ihr erst seit kurzem dabei sind, die Selbstvertretung noch nicht gut kennt oder zum Beispiel nur bei einem Wohnungslosentreffen wart, seid Ihr herzlichen eingeladen, dabei zu sein. Jede Erfahrung ist kostbar.
Zu mir:
Ich bin Feli (meiner voller Name ist Felicitas Dittrich) und ich studiere momentan an der Ev. Hochschule in Bochum. Dieses Jahr habe ich viele Menschen aus der Selbstvertretung und die Selbstvertretung selbst durch ein Projekt in der Uni kennengelernt. Meine Projektgruppe und ich sind der Frage nachgegangen, wie unterschiedlich die Menschen in der Selbstvertretung sind. Dafür haben wir die Selbstvertretung auf den diesjährigen Koordinierungstreffen und auf dem Wohnungslosentreffen besucht. Für meine jetzige Masterarbeit möchte ich gerne gemeinsam mit Euch schauen, welche Sichtweisen Ihr als Frauen in der (und auf die) Selbstvertretung habt.
Ablauf:
Geplant ist, dass wir am 13.01.2020 (Montag) nachmittags ankommen. Die erste gemeinsame Mahlzeit wird das Abendessen sein. Abends werden wir dann locker in das Thema starten und z.B. Erwartungen absprechen.
Für den Dienstag (14.01.2020) habe ich zunächst eine Gruppendiskussion zum Thema „Eure Erfahrungen in der Selbstvertretung“ geplant. Anschließend möchte ich gemeinsam mit Euch Ideen und Möglichkeiten besprechen, wie Frauen in der Selbstvertretung (besser) unterstützt werden können.
Am Mittwoch (15.01.2020) reisen wir dann nach einem gemeinsamen Frühstück ab.
Ort:
Die Veranstaltung wird in Freistatt im Seminar- und Gästehaus Wegwende (Deckertstraße 20, 27259 Freistatt) stattfinden.
Anmeldung:
Eingeladen sind bei dieser Veranstaltung ausschließlich Frauen* (also Menschen, die sich als Frau fühlen und beschreiben). Wir wollen über die besonderen Situationen und Erfahrungen von Frauen sprechen, da sind Männer fehl am Platz.
An der Veranstaltung können 12 Frauen teilnehmen. Wenn Ihr Interesse habt, könnt Ihr Euch bei mir oder bei Stefan Schneider (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) melden. Stefan unterstützt mich bei der Organisation und bei der Vorbereitung.
Wenn 12 Frauen angemeldet sind, können wir leider keine weiteren Anmeldungen annehmen.
Kosten werden übernommen:
Die Kosten für die Veranstaltungen werden übernommen. Dazu gehören auch die Fahrtkosten, wenn – wie üblich – eine preisgünstige Verbindung genommen wird.
Wenn Ihr Fragen oder Anregungen habt, könnt Ich Euch gerne bei mir oder bei Stefan melden.
Ich freue mich über Eure Rückmeldungen und schicke Euch liebe Grüße,
Feli
Die Veranstaltung ist eine Kooperations-Veranstaltung des Sozial-Wissenschaftsladens der Ev. Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe und der Koordinierungsstelle der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen. Sie wird gefördert von der Thea-Messing-Stiftung für wohnungslose Frauen und Mädchen.
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Menschen aus dem Netzwerk der Selbstvertretung wohnungloser Menschen rufen gemeinsam auf zum Housing Action Day am 28.02.2020 und forden Euch auf, Euch daran zu beteiligen! - Stefan Schneider, Koordinator
Wohnen für Menschen statt für Profite
Wir erleben, wie Wohnraum zu Betongold wird und zur Aktie an der Börse. Immer mehr teure Neubauwohnungen treiben die Preise in die Höhe, der Bestand an Sozialwohnungen nimmt stetig ab. Viertel und Nachbarschaften werden gewinnbringend umstrukturiert: Unsere Lieblingskneipe, unser unverzichtbarer Kindergarten und unser geschätzter Kiosk sind bedroht oder schon verdrängt. Wir erhalten Mieterhöhungen und zahlen immer mehr von unserem Einkommen für die Miete. Unsere Häuser werden privatisiert, verkauft und gewinnbringend weiterverkauft. Unsere Wohnungen werden teuer saniert und modernisiert und die Mieten steigen weiter. Unsere Wohnungen werden in Büros, Ferienwohnungen oder in leerstehende Geldanlagen umgewandelt. Wir erhalten Kündigungen und Eigenbedarfsklagen. Wir werden aus unseren Wohnungen gewaltsam zwangsgeräumt, aus unseren Vierteln gerissen, auf die Straße gesetzt. Als Wohnungslose werden wir gezwungen unter unwürdigen Bedingungen zu leben.
Wir wollen diese Ungerechtigkeit und Gewalt nicht mehr dulden.
Wir widersetzen und solidarisieren uns.
Der Ausverkauf der Städte im Interesse einiger weniger ist kein Naturgesetz, sondern die Konsequenz eines ungehemmten Wirtschaftssystems und einer Politik, die ihren Kompass der sozialen Verantwortung verloren zu haben scheint. Gemeinsam können wir das ändern!
Zehntausende, Hunderttausende sind in den vergangenen Jahren für eine gerechte Mieten- und Stadtpolitik auf die Straße gegangen, zuletzt zum europaweiten Aktionstag am 6. April 2019 in fast 50 Städten. Dieser hartnäckige Protest unzähliger Initiativen in vielen Städten hat erreicht, was noch vor kurzem undenkbar schien: Bundesweit wird über Mietendeckel und die Enteignung großer Wohnungsunternehmen diskutiert. In Frankfurt am Main, Osnabrück oder Berlin ermächtigen sich die Mieter*innen, selbst über die Neuausrichtung der kommunalen Wohnungsunternehmen zu entscheiden. In Gera und Berlin werden ganze Siedlungen rekommunalisiert. In vielen Städten werden leerstehende Häuser besetzt.
Wir, ein bundesweiter Zusammenschluss von Mieter*inneninitiativen und Recht-auf-Stadt-Gruppen, fordern:
- Wir wollen echte soziale Mieten und ein grundlegend anderes Miethöhenrecht. Keine Profite mit der Miete!
- Ein Ende von Zwangsräumungen und Wohnungslosigkeit. Housing First in würdevollen Wohnungen und ein einklagbares Recht auf Wohnen!
- Leerstand beenden! Wir fordern, dass die Vermietung von spekulativem Leerstand erzwungen werden kann. Besetzungen legalisieren!
- Echte demokratische Mitbestimmung und kollektive Rechte für Mieter*innen. Wir wollen mitbestimmen, was mit unserem Zuhause passiert!
- Eine neue Gemeinnützigkeit im Wohnungsbereich, ein Ende der Bodenspekulation, eine Sozialisierung des Grundeigentums, die Vergesellschaftung der großen Wohnungskonzerne. Wohnraum und Boden dürfen keine Ware sein!
- Einen radikalen Kurswechsel in Politik und Wirtschaft: Für eine solidarische und ökologische Stadtentwicklung!
Solange unser Recht auf Wohnen nicht durchgesetzt ist, der Mietenwahnsinn kein Ende nimmt und Profitinteressen mehr zählen als soziale Gerechtigkeit, werden wir den Druck weiter erhöhen! Macht mit beim weltweiten Housing Action Day am 28.03.2020!
Zusammen zeigen wir: Es gibt Protest, Widerstand, Solidarität und Alternativen!
Wohnen für Menschen statt für Profite!
Aktionsbündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn,
am 29. Oktober 2019
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Erlebnisbericht von der Reiselust in Bremen
Warum reisen von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen? Um von A nach B zu gelangen. Vorwiegend werden größere Städte anvisiert. Dort gibt es mehr Hilfsangebote. Aber auch die Anonymität ist gewährleistet. Doch gibt es auch angenehmeres Reisen.
Die Wohlstandsbürger erholen sich durch kostspielige Urlaube von den “Strapazen” des Arbeitslebens und Rentner verbringen die kalte Jahreszeit in wärmeren Gefilden.
Reisen und Urlaube haben sich zu einem lukrativen Geschäftszweig entwickelt. Häufig werden Reisemessen im großen Stil durchgeführt um für “die schönsten Wochen des Jahres” anzuregen und zu werben.
Seit mehr als 15 Jahren findet in der Hansestadt Bremen die Touristikmesse “Reiselust” statt. Erstmalig hatte die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen die Möglichkeit, sich seit 2017 mit einem Informationsstand regelmäßig zu präsentieren. So machten sich fünf Aktivist*innen der Selbstvertretung Uwe (Lüneburg), Lutz (Herzogsägmühle), Olaf (Freistatt), Dirk (Freistatt) und Werner (Berlin) vom 08.-10 November 2019 auf den Weg, um auf die Problematik von Armut, Ausgrenzung und Wohnungslosigkeit aufmerksam zu machen.
Gespräche auf Augenhöhe
Anfänglich ignorierte der Besucherstrom unseren Infostand. Durch das Verteilen von Flyern nahm das Interesse jedoch zu. In der Summe ergaben sich viele interessante Gespräche auf Augenhöhe.
Unter anderem suchte ein älteres Ehepaar den Dialog mit uns. Ihr Sohn, mittlerweile 45 Jahre alt, ist durch das sogenannte bürgerliche Raster gefallen. In seiner Jugend kam er mit Drogen und Alkohol in Berührung. Er hatte die Ausbildung geschmissen und suchte Menschen in der “Szene”. Gesundheitliche Einschränkungen waren die Folge wie Schlaganfall Herzprobleme aber auch Willenlosigkeit. Mehrere Therapien waren erfolglos. Er wünscht sich ein Leben ohne Sucht zu führen. Doch er schafft es nicht. Traurigkeit und Resignation schwang in der Stimme der Erzählerin.
Crashkurs in Obdachlosigkeit
Angeboten wurde von der Selbstvertretung auch ein Crashkurs in Obdachlosigkeit. Bedingungen und Abläufe lagen zur Mitnahme auf einem DIN A4 Blatt im Regal unseres Standes aus. Interessierten wird unter Anleitung eines sachkundigen Vereinsmitgliedes die Möglichkeit gegeben Obdachlosigkeit für sich physisch und psychisch zu erfahren. Ein junger Mann, Mitarbeiter des Erlebnisbades Ronolulu aus dem Einzugsbereich von Bremen hat sich in der ausliegenden Liste eingetragen. In seinem Urlaub, Anfang 2020 möchte er einen Crashkurs belegen um wahrzunehmen wie ausgegrenzte Menschen in der Gesellschaft behandelt werden und wie man mit ihnen umgeht.
Langer Atem erforderlich
In der Folge ergaben sich weitere Gespräche und die Besucher konnten sich einen Einblick über den Tagesablauf Wohnungsloser verschaffen. Einige Standbesucher fanden es spannend, das es wohnungslosen und ehemals wohnungslosen Menschen gelungen ist sich zu organisieren, Treffen durchzuführen, und die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V. aufzubauen und weiterzuentwickeln.
Dennoch kristallisierte sich auf der Reiselust ein starker Kontrast heraus. Einerseits trifft man die sogenannten “Normalos” an und auf der anderen Seite die Menschen die am Rande der Gesellschaft leben müssen.
Kein Mensch ist gerne obdachlos. Für die Selbstvertretung der wohnungslosen Menschen ist das Ziel programmiert: Kämpfen für ein menschenwürdiges Leben und Begegnungen auf Augenhöhe mit allen Menschen hin zur Veränderung einer humanen Gesellschaft. Langer Atem ist erforderlich. Wir schaffen das!
Werner Franke
Mitglied der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V.
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Wohnen muss bezahlbar sein!
Immer mehr Menschen in Europa können sich das Wohnen nicht mehr leisten. Jeder vierte Haushalt in der EU gibt fast die Hälfte seines verfügbaren Einkommens für Wohnen aus. Die Mieten steigen in vielen Ländern deutlich schneller als die Einkommen. Die Boden- und Immobilienpreise in den Regionen und Städten explodieren. Wohnen ist heute „Big-Business“. Investoren (Pensionsfonds, Hedge-Fonds etc.) kaufen ganze Stadtteile auf, weil sie auf hohe Renditen spekulieren.
Viele Menschen werden gezwungen, die Stadt zu verlassen und müssen dann deutlich längere Anfahrtsstrecken zum Arbeitsplatz/Studienplatz in Kauf nehmen. Obdachlosigkeit steigt in den allermeisten Mitgliedsstaaten in Europa an.
Fehlende Investitionen in erschwinglichen Wohnraum, der Mangel an kommunalem und geförderten Wohnbau führen zu einem Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Europa. Verstärkt wird dieser Mangel durch die Regelwerke der Europäischen Union, die den finanziellen und rechtlichen Handlungsspielraum der Mitgliedsstaaten stark einschränken.
Beim Thema Wohnen wird klar: Die Wohnversorgung kann nicht dem Markt überlassen werden. Der freie Markt wird von sich aus niemals ausreichend bezahlbaren Wohnraum erzeugen. Wohnen ist eine öffentliche Aufgabe, das heißt, die Politik muss steuernd eingreifen.
Um diese Missstände zu beseitigen, fordert die Europäische Bürgerinitiative „Housing for All“ den EU Gesetzgeber auf, bessere rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen, damit bezahlbares Wohnen in Europa forciert werden kann.
Mit deiner Unterschrift forderst Du…
von der EU Kommission bessere gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen, um bezahlbares Wohnen für alle Menschen in Europa zu ermöglichen.
Dies umfasst:
- die Erleichterung des Zugangs für alle zu leistbarem und sozialem Wohnbau,
- keine Anwendung der Maastricht-Kriterien auf öffentliche Investitionen in leistbaren Wohnbau,
- besserer Zugang zu EU-Finanzmitteln für gemeinnützige und nachhaltige Wohnbauträger,
- soziale und wettbewerbsgerechte Regeln für Kurzzeitvermietungen sowie
- die statistische Erfassung des Wohnbedarfs in Europa.
Werde Teil der Kampagne
Das “Housing for All” Initiative vereint Mieterverbände – und vereine, Gewerkschaften, soziale und kirchliche Organisationen, Menschenrechtsorganisationen, Interessensvertretungen von Studierenden, Pensonistinnen und Pensionisten, VertreterInnen von Städtenetzwerken und Privatpersonen, die für mehr bezahlbares Wohnen in Europa kämpfen. Wir arbeiten individuell und mit anderen zusammen, um über eine Million Unterschriften für die Europäische Bürgerinitiative zu sammeln.
Unterschreibe jetzt!:
https://www.housingforall.eu/de/unterstuetzen-sie-die-kampagneund-unterzeichnen-sie-die-petition-de/
Werde Aktivist/in!:
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Am 15.10.2019 gab es in Brüssel ein Treffen zum Thema Digital Inclusion & Homelessness (Digitale Teilhabe und Wohnungslosigkeit). Unsere Freundin Gaby aus Düsseldorf war mit Unterstützung von Michaela Hofmann von der Caritas in Köln da und bringt folgenden Bericht mit:
Das Treffen in Brüssel war trotz der Kürze von 10-14 Uhr richtig interessant. Verglichen mit dem, was ich aus Düsseldorf kenne, wo außer von fifty-fifty nicht viel passiert, ist vor allem Frankreich ziemlich aktiv.
Was mir sehr gut gefallen hat, ist u.a. die App reconnect, mittels der man alle seine Dokumente mit sich führen kann und diese auch anerkannt werden, falls das Original gestohlen oder einfach nur verbummelt wurde.
Diese App ist somit auch für Otto Normalverbraucher tauglich, auch für ältere Menschen, wenn sie denn ein Handy mit sich führen.
Ohne Papiere ist man völlig aufgeschmissen, bekommt weder bei der Bank Geld noch ist ein Behindertenausweis bzw. Fahrticket alleine gültig.
Eine weitere App aus Paris, entwickelt von mehreren jungen Leuten, die auch tatkräftig finanzielle Unterstützung dafür einwerben konnten, ist die App Entourage, mittels der Obdachlose in ihrer Umgebung alles suchen und finden können, was man braucht: Tafeln oder günstiges Essen, Waschsalons, Duschmöglichkeiten, Schlafstellen, ...
Ich fände es super, solch eine App flächendeckend in Europa zu erweitern.
In Frankreich besitzen übrigens laut einer Studie 71% der Obdachlosen ein Smartphone. Offensichtlich ist dort auch die Abdeckung mit freiem WLAN wesentlich höher als bei uns.
Die Spanier haben eine Art Meldedienst entwickelt, über den Menschen Obdachlose, die irgendwo auf der Straße schlafen, gemeldet werden und die dann von einer Art Hilfsbus aufgesucht und ggf. in eine Unterkunft vermittelt werden.
Ich bin allerdings davon überzeugt, dass sich in unseren Großstädten eher jemand eine App wie „Wegeheld“, mit der Falschparker angezeigt werden können, herunterlädt, und sich kaum jemand dafür interessiert, ob jemand auf der Straße liegt und friert.
Aus England hat ein Professor, der aber selbst keinen Bezug zu Obdachlosigkeit hat, aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nur ganz kurz über britische Statistiken berichtet.
Von Deutschland waren keine weiteren Teilnehmer anwesend. Schade, ich halte eine Vernetzung für sehr sinnvoll.
Am darauffolgenden Mittwoch hatten wir in Köln bei der Caritas einen Arbeitskreis mit Michaela Hofmann, wo wir einen großen Aktionstag am 2.7.2020 vorbereiten, zu dem u.a. Minister Laumann und 2 Professoren des LVR und der Uni Düsseldorf über die Zusammenhänge zwischen Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und schlechter Gesundheit bzw. Krankheit herausgestellt werden sollen sowie der Teufelskreis, der verhindert, dass diese Menschen jemals wieder aus der Spirale herauskommen.
Bei uns in Düsseldorf findet jedes Jahr ein Klavierkonzert von Thomas Beckmann statt, dessen Erlös an die Obdachlosenhilfe geht. Was ich nicht verstehe ist, warum Universitätsprofessoren, die doch eigentlich genug Geld haben, um sich ein Ticket zu leisten, Gratiskarten bekommen.
Ich wünsche euch allen einen interessanten Austausch und viele neue Impulse.
Herzliche Grüße
Gaby
Fotograf: