Der Workshop „Wohnungslosentreffen gestern, heute und morgen“ beim Wohnungslosentreffen 2018 begann mit einem Rückblick auf Vergangenes durch Werner Seidcheck. Insbesondere sei hier das Treffen von 1929 erwähnt, von dem historische Dias gezeigt wurden. Durch die politischen Wirren in und nach der NS-Zeit konnte ein ähnliches Treffen erst wieder 1991 stattfinden. Dieses wurde in Uelzen vom Referenten selbst organisiert, der so auch einige persönliche Anekdoten dazu erzählen konnte. Es nahmen etwa 200-300 Personen teil.

Peter Szynka erzählte dann, wie das Projekt in Freistatt zustande kam. Federführend haben sich hier Jürgen Schneider und Stefan Schneider mit Erfolg eingesetzt. Bisher wurden drei Treffen durch die Aktion Mensch ermöglicht. Werner Seidcheck wies darauf hin, dass am Anfang nicht immer nur Geld Thema sein muss, sondern dass sich vieles aus Ideen entwickelt, die Kreativität freisetzen. Auf den letzten zwei Treffen hat sich eine Selbstvertretung Vereinter Wohnungsloser gegründet, um ihre eigenen Geschicke in die Hand zu nehmen. Ein weiterer großer Erfolg ist, dass diese Selbstvertretung angefragt wurde, eine Stellungnahme zum Antrag des Landtags Niedersachsen „Hilfe für wohnungslose Menschen Drucksache 18/845“ zu formulieren.

Zuletzt wurde das soziale Dorf Herzogsägmühle als möglicher Veranstaltungsort für die nächsten Treffen vorgestellt. Für die Ausrichtung muss aber der gemeinsame Auftrag aus dem Plenum zur Fortführung der Treffen dort kommen.

Text: Werner Franke, Nina Freymuth

 

 

Norbert BrandtNorbert Brandt und Karsten Dunzweiler stellten beim Wohnungslosentreffen 2018 Projekte wohnungsloser Menschen vor.  Nobert Brandt berichtete über das Projekt „Das Leben im Rucksack“ - unter dem Titel „Wie kann man obdachlos werden, und wie kommt man wieder raus!“ Norbert schilderte uns, wie schnell man wohnungslos werden kann. Dazu nannte er verschiedene Ursachen, wie Scheidung, Krankheit oder die Sucht. So berichtete er uns, dass er 20 Jahre auf der Straße gelebt hat und durch fast ganz Europa gelaufen ist. Durch einen glücklichen Zufall fand er die Liebe zu einer Frau, mit der er heute immer noch zusammenlebt. Sie forderte und unterstützte ihn, so dass er am Ende wieder ein Heim und Arbeit hatte. So entwickelte er ein Programm, mit dem er durch die Schulen geht, um den Schülern zu zeigen, was Obdachlosigkeit bedeutet.

KarstenIm Anschluss präsentierte Karsten Dunzweiler sein Projekt „Mainz wie es hilft und macht“. Mainz hat etwa 150 Menschen, die obdachlos sind. Da es bei Wohnungslosigkeit keine Möglichkeit gibt, wichtige Dokumente und persönliche Unterlagen vor den Wettereinflüssen oder Diebstahl zu schützen, kam er auf eine Idee: „Meine Idee bestand darin, den Wohnungslosen eine Möglichkeit zu bieten, ihre Dokumente und persönlichen Unterlagen sicher zu verwahren.“

Da ich ein Paragrafenreiter bin, fragte ich ihn, wer für die Schäden aufkommt, wenn was mit den eingelagerten Dokumenten passiert? Da er keine Antwort wusste, gab ich ihn einen Tipp: Um sich vor eventuellen Schadensansprüchen gegen sich zu schützen, sollte er jeden Wohnungslosen eine Erklärung unterschreiben lassen, wo er von jedem Schadensersatzanspruch geschützt ist.

Zum Schluss erklärte Karsten: „Ich würde mich freuen, wenn andere die Idee übernehmen, so dass Wohnungslose die Möglichkeit haben, ihre Dokumente zu sichern. Die Wohnungslosen, die die Möglichkeit nutzen, brauchen keine Kosten fürchten, da ich meine Idee ehrenamtlich verwirkliche. Ach ja, zurzeit nutzen sieben Wohnungslose die Möglichkeit.“

Text: Jürgen Weber / Fotos: Ines Goetsch und Jürgen Weber

 

 

Das war die Frage, die bei einer Präsentation im Seminarraum in Haus Wegwende im Rahmen des Wohnungslosentreffens 2018 aufgeworfen wurde. Gestellt wurde sie von Axel Steffen von der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e,V. Bremen (GISS), der diese Frage auf Soziale Wohnraumagenturen bezog, und deren Modelle vorstellte.

Die Agenturen folgten einem bereits in Belgien angewandten Beispiel und haben derzeit sieben Standorte in Deutschland, um in Bremen, Lüneburg, Hannover, Kassel, Darmstadt, Karlsruhe und Stuttgart Wohnraum für Wohnungslose zu schaffen. Die betroffenen Menschen erhalten dabei zum Teil befristete Mietverträge.

Axel Steffen untergliederte seine Präsentation, in der er die Zielgruppe, die Organisation und die Finanzierung der Sozialen Wohnraumagentur vorstellte. Die Zielgruppen variieren dabei von Stadt zu Stadt. Zum einen erhalten jene Menschen Unterstützung, die aktuell von Wohnungslosigkeit betroffen sind, anderswo werden Menschen betreut, die ehemals von der Wohnungslosigkeit betroffen waren, jedoch auf Unterstützung durch Prävention vor erneutem Wohnungsverlust angewiesen sind.

Bedauerlicherweise setzen die Sozialen Wohnraumagenturen die Maßstäbe unterschiedlich an – im Falle der Organisation in Kassel werden Menschen, die auf einen täglichen Bedarf angewiesen sind, von der Hilfe ausgeschlossen. Lüneburgs Vertretung tritt zwar mit dem Anspruch an, alle Wohnungslosen zu versorgen, dürfte aber an der Realität der ständig steigenden Zahl der Wohnungslosen mit diesem Anspruch scheitern. Der Fall Lüneburg sorgte während der Veranstaltung für Missstimmung, da ein in Lüneburg lebender Betroffener Steffen mit der bürokratischen Realität konfrontierte.

Als Mustermodell wurde die sogenannte Einzelfallhilfe in Hannover erwähnt. Hier kann interveniert werden, wenn es zu Schwierigkeiten wie bei der Mietentrichtung kommt. Jedoch sind die ehemals Wohnungslosen den üblichen Gesetzmäßigkeiten von Mietverträgen sehr oft ausgesetzt. Oft sind die Sozialen Wohnraumagenturen  auf sich allein gestellt, denn eine allgemeine finanzielle Förderung durch die Kommunen findet fast gar nicht statt. Axel Steffen betonte letztendlich, dass er die Präsentation nach Gesprächen mit den Agenturen gestaltet hat.

Text: Harald Januscke

 

 

Hanne LoreWas mich immer zornig macht: wenn wir als deutsche Obdachlose uns gegen die Flüchtlinge oder auch die Roma ausspielen lassen. Die Ablehnung dieser Menschen, auch hier bei unserem Treffen in Freistatt, macht mich krank. Ich kann es nicht verstehen, und ich will es nicht verstehen. Wir haben doch die Erfahrung gemacht, wie es ist, wenn man keine Hilfe kriegt, wenn man selber betteln muss. Wie kann ich dann hingehen und es jemand anderem nicht gönnen, dass er ein paar Krümel vom Kuchen bekommt. Nur weil er anders aussieht oder eben nicht meinen Vorstellungen entspricht. Wenn ich das schon höre: „Bettelmafia“! In Osteuropa werden den Roma allerorten die Siedlungen abgebrannt; sie werden gejagt, geächtet – und sogar umgebracht. Diese Menschen führen ein so unendlich trauriges Leben; wir hätten sie nach Freistatt einladen sollen, dass wir hier mit ihnen reden.

Text: Hanne-Lore / Foto: Norbert Brandt

 

 

Barber Angel1jpg"Ich traue mich gar nicht in den Spiegel zu schauen", sagt Chrischi, "das mache ich lieber erst später!" Chrischi hat sich gerade eine völlig neue Frisur schneiden lassen. Dafür war sie nicht in einem Friseursalon, sondern unter einem Zeltdach auf der Wiese des Sinnesgartens in Freistatt. Auf dem Gelände findet das diesjährige Sommercamp der Vertretung Wohnungsloser statt. Heute waren die "Barber Angel" zu Gast, um den Campteilnehmerinnen und -teilnehmern die Haare zu schneiden, die Bärte zu stutzen oder ihnen ein Make Up anzubieten. 

Die "Barber Angel Brotherhood" sind ein 2016 gegründeter Club, in dem Friseure aus ganz Deutschland und Europa zusammengeschlossen sind. Ihr Anliegen: Sie wollen sich nicht der allgegenwärtigen Armut verschließen und bieten ihre Dienste Bedürftigen und Wohnungslosen kostenlos auf Veranstaltungen und Aktionen wie dem Sommercamp an.

Barber Angel3Carmen ist heute zum ersten Mal dabei, sie schneidet Pepe die Haare und rasiert ihm zügig den Nacken aus: "Mir gefällt das hier", sagt die Friseurin, "ich finde es gut, Menschen zu helfen, die sich sonst nur selten einen Friseur leisten können."  Pepe ist mit seinem neuen Look zufrieden, genauso wie Werner, der seine etwas ausgewachsene Kurzhaarfrisur nachschneiden ließ. Hanne-Lore freut sich über "sieben Zentimeter weniger" bei ihrer fülligen Mähne.

 

 

Barber Angel6Insgesamt ließen sich rund 50 Frauen und Männer die Haare bzw. Bärte schneiden. 10 von ihnen nutzten außerdem die Gelegenheit, sich ein professionelles Make Up machen zu lassen. "Die Aktion ist super angenommen worden", freute sich Dr. Stefan Schneider, einer der Organisatoren des Camps.

Barber Angel4Und Chrischi? Chrischi war sehr mutig. Sie hatte sich für einen modernen "Under Cut"-Haarschnitt entschieden und dafür eine Seite ihres schönen langen Haares der Schere der "Barber Angel" überlassen. Was sie wohl beim Blick in den Spiegel denken wird?

Text: Pepe und Ines / Fotos: Norbert Brandt

 

 

 

 

Plenum"Ich fühle mich hier sehr freundlich aufgenommen", sagt Nadine aus Leipzig beim abendlichen Lagerfeuer. Am Sonntagabend startete das Treffen Wohnungsloser mit einem Eröffnungsplenum um die Feuerstelle des Sinnesgartens. Besonders die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die zum ersten Mal beim Sommercamp dabei sind, wurden herzlich begrüßt. Es gab organisatorische Informationen und es wurden Fragen und Themenwünsche gesammelt. 

 

GruppeAm Montagvormittag nahmen zwölf Interessierte an einer Führung über das Gelände der Diakonie Freistatt teil. Bei über 30 Grad im Schatten keine ganz lockere Angelegenheit, aber Einrichtungsleiter Frank Kruse machte den zweistündigen Gang über das Gelände zu einem spannenden Ausflug durch die Geschichte. Sehr bewegt waren die Teilnehmer beim Besuch des einrichtungseigenen Friedhofs, auf dem viele ehemalige Bewohner ihre letzte Ruhestätte haben.

 

 

Bild Social Inclusion GamesGuten Tag,

direkt im Anschluss an das Wohnungslosentreffen 2018 (22.-29.07.2018) finden in Enschede, Niederlanden vom Sonntag, den 29.07. bis Samstag, den 04.08.2018 die Social Inclusion Games statt. Und Enschede ist nur 155 km von Freistatt entfernt.

Diese Veranstaltung ist ein Zusammentreffen in Form einer Art vielfältige Olympiade für ausgegrenzte Menschen, also wohnungslose, suchtkranke oder seelisch behinderte Menschen. Begegnung und gemeinsame Aktivitäten stehen im Vordergrund und tragen zur Inklusion aller Teilnehmenden bei.

Die Teilnehmer*innen aus verschiedenen Ländern messen sich eine ganze Woche lang in vielen verschiedenen Spiel-, Geschicklichkeits- und Sportarten wie Boulé, Fußball, Volleyball, Hockey, Leichtathletik, Fahrradrennen, Tischtennis, Federball, Dart, Schach, Minigolf u. v. a.
Neben den Wettbewerben gibt es aber auch genügend Zeit und Gelegenheiten für Begegnungen und Kennenlernen.

1.500 marginalisierte Menschen aus 15 europäischen Ländern werden in Enschede/NL vom 29.07.-04.08.2018 eine fantastische Zeit miteinander verbringen können.

Aus Deutschland können 15 Städte Teams zu den Social Inclusion Games (SIGN 2018) entsenden. Das Organisationsteam vom Wohnungslosentreffen wurde vom deutschsprachigen Veranstalter angesprochen, Teilnehmenden vom Wohnungslosentreffen auch eine Beteiligung an den Social Inclusion Games in Enschede zu ermöglichen. Diesem Wunsch können wir gerne entsprechen.

Am Sonntag, den 29.07.2018 wird es gegen 16:00 Uhr einen Bus geben, der interessierte Menschen von Freistatt nach Enschede fährt. In diesem Bus gibt es maximal 8 Plätze, davon sind 2 schon vergeben an Mike (Edewecht) und Susi (Nürnberg).

Wer daran teilnehmen möchte, benötigt ein Zelt und einen Schlafsack und möchte sich bitte anmelden bei
stefan.schneider at wohnungslosentreffen dot de.

Die Anmeldung ist geschlossen, sobald alle Plätze belegt sind. Es wird noch 3 Nachrückerplätze geben.

Weitere Informationen sind hier zu finden:

2018 Social Inclusion Games deutsch.pdf

2018 Social Inclusion Games englisch.pdf

Gruss

Stefan Schneider
Koordinator Wohnungslosentreffen

Teilnehmende:

1. Mike (Edewecht)(Sprecher der Gruppe)
2. Susi (Nürnberg)
3. Markus (Frankfurt)
4. Regina (Wien)
5. Karsten (Mainz)
6. Ellen (Mainz)
7. Hasso (Hannover)
8. xxx
Nachrücker
1.
2.
3.

3.

 

Niedersaechsischer Landtag - Quelle WikiCommons, Foto von RaBoe, Details siehe Beitrag EndeDie Präsidentin des Niedersächsischen Landtages - Landtagsverwaltung -
s. anl. Verteiler

Bearbeitet von: Herr Horn
E-Mail: norbert.horn at lt.niedersachsen dot de*
Ihr Zeichen, Ihre Nachricht vom:

Hannover, den 4. Juni 2018
Schriftliche Stellungnahme anlässlich der parlamentarischen Beratung des
Antrages der Fraktionen der SPD und der CDU in der Drs. 18/845;
dazu: Änderungsvorschlag der Fraktion der FDP - Vorlage 1

Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Niedersächsischen Landtages berät zurzeit den o. g. Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU in der Drs. 18/845 sowie den dazu bereits vorliegenden Änderungsvorschlag der Fraktion der FDP (Vorlage 1).

Bevor der Ausschuss hierzu gegenüber dem Landtag eine Beschlussempfehlung abgibt, würde er es begrüßen, wenn Sie aus Ihrer Sicht zu diesem Entschließungsantrag sowie der Vorlage 1 eine schriftliche Stellungnahme abgeben könnten.

Die Ausschussmitglieder beabsichtigen, ihre Beratungen Mitte August 2018 fortzusetzen und wären dankbar, wenn Sie Ihre Stellungnahme der Landtagsverwaltung bis zum 31. Juli 2018 möglichst elektronisch (norberthorn at tl.niedersachsen dot de) zuleiten könnten.

Da die Beratungen der Landtagsausschüsse in öffentlichen Sitzungen stattfinden, ist nicht auszuschließen, dass sich Medienvertreterinnen oder -vertreter und Bürgerinnen oder Bürger für Ihre schriftliche Stellungnahme interessieren. Sollte ich von Ihnen keine andere Nachricht erhalten, gehe ich davon aus, dass Sie mit einer Weitergabe Ihrer Stellungnahme an ggf. interessierte Dritte einverstanden sind.

Zu Ihrer Unterrichtung habe ich eine Ablichtung der Drucksache 18/845 sowie der Vorlage 1 beigefügt.

Im Namen der Mitglieder des Ausschusses danke ich Ihnen bereits jetzt für Ihre Bemühungen.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrage

Horn

Niedersächsischer Landtag - Drucksache 18/00845 Hilfe fuer wohnungslose Menschen.pdf

Abbildung: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hannover_-neuer_Nieders%C3%A4chsischer_Landtag-_2018_by-RaBoe_16.jpg

Fotograf: RaBoe

Wohnungslosentreffen 2018 in Freistatt geht ins dritte Jahr

2018.05.23pressegespraech foto gerhard zamzowAller guten Dinge sind drei. Vom 22. - 29. Juli 2018 findet das dritte bundesweite Wohnungslosentreffen in Freistatt (Bethel im Norden) statt. Zwar hat es in der Vergangenheit schon einige Versuche gegeben, wohnungslose Menschen zusammen zu bringen, aber diese Initiative, zu der sich unterschiedlich Betroffene zusammen gefunden haben und die von der „Aktion Mensch“ finanziell unterstützt wird, hat sich bisher als nachhaltig erwiesen.

So stellte die Organisationsgruppe in diesen Tagen das diesjährige Programm im Haus „Wegwende“ in Freistatt an einem historisch Ort vor, denn dieses Haus war 1927 als Erziehungsheim für renitente männliche Jugendliche eröffnet worden. (Der Film „Freistatt“ beleuchtet diese negative Seite der Heimerziehung anschaulich.)

Unter dem Slogan „Dran bleiben, dazu kommen, weiter machen, ausbauen!“ hat das Organisationsteam ein vielfältiges Programm für dieses Jahrestreffen zusammengestellt. Dr Stefan Schneider, der Koordinator dieses Projektes, konnte unterschiedlich Betroffene zu der Vorstellung des Programms begrüßen: Jürgen Schneider vom Armutsnetzwerk, der seit vielen Jahren auf der Straße lebt, Uwe Eger aus Lüneburg und Ilse Kramer aus Köln sowie der Leiter der Wohnungslosenhilfe in Freistatt, Frank Kruse, die jeweils Projekt und Programm des Wohnungslosencamps aus ihrer Sicht kommentierten.

Jürgen Schneider kritisierte in seinem Statement, daß noch viel zu häufig die Vertreter der „sozialen Arbeit“ darüber entschieden, was für Wohnungslose gut sei. Dem wirke das Camp mit seinem Ansatz, die Interessen der Betroffenen klar zu formulieren, entgegen.

Uwe Eger, der seit dem ersten Wohnungslosentreffen 2016 in Freistatt dabei ist, bereist gegenwärtig Wohnungsloseneinrichtungen in der ganzen Bundesrepublik, um Betroffene direkt anzusprechen und persönlich über das Wohnungslosentreffen zu informieren. Er berichtete, daß es oft schwer sei, Menschen zu erreichen, die mit ihrem Kampf ums Überleben auf der Straße, ihren Problemen und oft auch ihren Süchten mehr als überfordert sind. - Immer dabei ist sein Hund.

Ilse Kramer, die im letzten Jahr an der Gründung einer Frauengruppe beteiligt war und in Köln in der Initiative „Bauen, Wohnen Arbeiten e.V.“ mitarbeitet, stellte kurz das selbstverwaltete Projekt in Köln-Ossendorf vor und berichtete von den Aktivitäten der Frauengruppe, die seit 2017 die Öffentlichkeit über die besondere Situation wohnungsloser Frauen aufzuklären versucht. Bei einigen Stadtverwaltungen und sozialen Trägern habe man erreicht, daß der 21. Dezember als „Tag der wohnungslosen Frauen“ bekannter werde. Die Gruppe der wohnungslosen Frauen habe in den letzten Jahren stark zugenommen und nicht immer gäbe es geeignete Hilfsangebote für diese Gruppe.

Frank Kruse, Leiter der Wohnungslosenhilfe von Bethel im Norden, der sich seit Jahren zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen für das Gelingen des Wohnungslosentreffens engagiert hat, gab einen kurzen Rückblick auf frühere Versuche, Obdachlose in Treffen zusammen zu bringen, und kündigte an, dass das Treffen 2019 in Herzogsägmühle, einer diakonischen Einrichtung in Oberbayern, stattfinden werde, wenn der Förderantrag für dieses Treffen genehmigt werde. Frank Kruse machte deutlich, daß es nur wenige Einrichtungen gäbe, die den großen logistischen Aufwand eines solchen Treffens bewältigen könne. Ein großes Team an Helfern trage jedes Jahr dazu bei, daß die Voraussetzungen in Freistatt geschaffen werden. Die Kapazität in dem geschmackvoll gestalteten Umfeld des Hauses „Wegwende“ in Freistatt liege bei etwa 120 Teilnehmer_innen.

Dr. Stefan Schneider (Berlin), der seit drei Jahren das Wohnungslosentreffen koordiniert, erläuterte mit Blick auf das umfangreiche Programm, daß in diesem Jahr bereits Mitarbeiter aus Bayern in die Programmangebote und in die Organisation eingebunden werden. Er machte auch klar, in wie weit man aus den Erfahrungen der letzten beiden Jahre gelernt habe und genügend Möglichkeiten der Rückkopplung zwischen den Beteiligten und den Organisatoren eingebaut habe. Denn im letzten Jahr hatte es am dritten Tag des Camps so etwas wie einen kleinen Aufstand gegeben, weil einige Teilnehmer mit dem Fortgang der inhaltlichen Arbeit nicht einverstanden waren. Man wolle keinen bevormunden, aber trotzdem zu einer Verstetigung der Arbeit kommen, um die komplexe Problematik der Wohnungslosigkeit („Obdachlose haben keine Lobby“) in die Öffentlichkeit tragen.

Dazu möchte auch Richard Brox (Mannheim) beitragen. Leider hatte er es zum Vorstellungstermin des neuen Programms nicht bis Freistatt geschafft (was eigentlich geplant war). In den Medien wird er gelegentlich als der prominentester Obdachlose der Republik bezeichnet, denn sein Buch „Kein Dach über dem Leben“ ist seit letztem Dezember zu einem Bestseller geworden. Er ist auch durch seine Zusammenarbeit mit Günter Wallraff in den Medien bekannt. Während des Camps wird er über seine Erfahrungen als „Prominenter“ in der Mediengesellschaft berichten.

Daß es nicht einfach ist, Betroffene zu motivieren, über ihre Lebenswelt zu sprechen und zu gemeinsamen Handeln zu kommen, wurde in fast allen Beiträgen deutlich. Trotzdem ist mit dem Wohnungslosencamp dank der Unterstützung durch die „Aktion Mensch“ im Zusammenwirken von Betroffenen und der Unterstützung der Diakonie in Freistatt eine Institution entstanden, die schon jetzt weit über den lokalen Rahmen hinaus wirkt.

Gerhard Zamzow

Abbildung: Im „Sinnesgarten“ in Freistatt das Vorbereitungsteam des Wohnungslosencamp 2018: Dr. Stefan Schneider (Berlin), Ilse Kramer (Köln), Jürgen Schneider, Frank Kruse (Freistatt), Uwe Eger (Lüneburg). Foto: Gerhard Zamzow

weitere Berichte:

Freistätter Online Zeitung https://wohnungslos.info/2018/05/pressekonferenz-zum-wohnungslosentreffen/

Sulinger Kreiszeitung: https://www.kreiszeitung.de/lokales/diepholz/kirchdorf-ort120456/wohnungslosentreffen-2018-freistatt-gange-9900087.html

 

Frank Kruse, Jürgen Schneider, Stefan Schneider und andere

Wohnungslosentreffen 2018 – Aktuelles zur Selbstvertretung Wohnungsloser

In dem ergebnisoffenen Projekt Wohnungslosentreffen hat sich als zentrales Ziel der Aufbau einer Selbstvertretung wohnungsloser Menschen herauskristallisiert. Wohnungslose und ehemals wohnungslose Menschen, deren Lebensmittelpunkt die Straße, die Anlaufstelle oder die Einrichtung ist oder war, wurden erreicht und zur Mitwirkung motiviert. Es haben sich eigene Plattformen („Vollversammlung“ - Wohnungslosentreffen, Koordinierungstreffen im Frühjahr und Herbst) und weitere Kommunikations- und Netzwerkstrukturen (email-Verteiler, Internetforum) etabliert. Regionale und themenorientierte Gruppen sind am entstehen (z.B. Theatergruppe, Frauengruppe); hinzu kommen eine Vielzahl an Teilnahmen an Veranstaltungen, Aktionen und eigne Projekte und Initiativen.
Verschiedene methodische Konzepte und Elemente aus der klassischen Gruppenarbeit, dem Team-Building, dem Empowerment-Ansatz, dem Assistenz-Konzept der Behindertenhilfe, des Thinking Circle, des Community Organzing werden angewendet und wirken zusammen.

Im Workshop wird der aktuelle Stand des Projekts „Förderung von Teilhabe und Selbstorganisation wohnungsloser Menschen in Niedersachsen (Empowerment, Community Organizing, Sommercamps, Verstetigung)“ und die weiteren Planungen vorgestellt, und zwar sowohl vom Organisationsteam als auch von Teilnehmenden. Beleuchtet werden unter anderem die methodischen Elemente, die zur Anwendung kommen und die neuen und veränderten Anforderungen an die Wohnungslosenhilfe. Der Workshop bietet genügend Raum für Nachfragen und Diskussion.

Entwurf: Struktur Selbstvertretung Vereinter Wohnungsloser
- prüfen, korrigieren, ergänzen vervollständigen -

Einreicher: Jürgen Schneider und Stefan Schneider, Stand 27.02.2018
2. Beratung:     Koordinierungstreffen 01.-04.03.2018, Freistatt
3. Beratung
& ggf. Beschlussfassung:     Vollversammlung Wohnungslosentreffen / Sommercamp 2018

1. Leitbild und Gründsätze

  1. Die Selbstvertretung Vereinter Wohnungsloser ist eine Plattform wohnungsloser und ehemals wohnungsloser Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben. Sie engagiert sich für eine bessere Welt, die Überwindung von Armut, Ausgrenzung, Missbrauch, Entrechtung und Wohnungslosigkeit sowie für die Verbesserung konkreter Lebenssituationen. Sie hat sich das Motto gegeben: „Alles verändert sich, wenn wir es verändern!“
  2. Die Selbstvertretung Vereinter Wohnungsloser ist unterschiedlich und vielfältig. Sie besteht aus Gruppen, Vereinen, Einzelpersonen, Projekte, Initiativen, Unterstützende und Gleichgesinnte und will diese miteinander vernetzen. Sie arbeitet auf der Basis selbstbestimmter Regeln zusammen.
  3. Die Selbstvertretung Vereinter Wohnungsloser folgt der Überzeugung: Armut kennt keine Grenzen! Die Selbstvertretung ist offen für junge und alte Menschen, für alle Geschlechter, für Menschen mit  und ohne Behinderung, für Menschen jedweder Herkunft.
  4. Die Selbstvertretung Vereinter Wohnungsloser besteht aus
    - der Vollversammlung, die nach Möglichkeit jährlich stattfinden soll
    - den Koordinierungstreffen,
    - der Geschäftsstelle.

2. Vollversammlung

  1. Die Vollversammlung findet (nach Möglichkeit jährlich) in Form eines Wohnungslosentreffens bzw. eines Sommercamps statt.
  2. Die Vollversammlung ist zahlenmässig durch das jeweils zur Verfügung stehende Budget bzw. durch die Kapazitäten des Veranstaltungsortes begrenzt. Innerhalb dieses Rahmens sollen genügend Plätze für neue Teilnehmende und spontane Anmeldungen reserviert bleiben.
  3. Auf der Vollversammlung muss hinreichend Zeit zum Kennenlernen, Austausch, zum gegenseitigesn Informieren, Entwicklung von Positionen gegeben sein.
  4. Die Vollversammlung verabschiedet zu allen Fragen Grundsatzpositionen, Stellungnahmen, und Resolutionen.
  5. Die Vollversammlung tagt grundsätzlich im Plenum. Das Plenum wird (nach Möglichkeit extern) moderiert.
  6. Die Vollversammlung tagt grundsätzlich öffentlich.
  7. Die Vollversammlung entwickelt eine Charta. Die Charta beschreibt die Grundlagen der gemeinsamen Zusammenarbeit und beschreibt, wer dazu gehört, wer nicht dazu gehört und beschreibt Grundsätze Verhalten, Respekt, Verbindlichkeit (10 Goldene Prinzipien – wie gehen wir miteinander um). Aber das reicht noch nicht.
  8. Die Vollversammlung muss Aktionen, Projekte und Kampagnen anregen.
  9. Die Vollversammlung kann Arbeitsgruppen aller Art einsetzen, das können z.B. Gruppen für zeitlich begrenzte Projekte sein, aber auch Fachgruppen (z.B. Recht, Öffentlichkeitsarbeit, Politik, Vernetzungstechnik, Bauen und Wohnen)
  10. Die Vollversammlung kann Menschen aus ihrer Mitte mit konkreten Aufgaben beauftragen.
    Aufgaben können sein: Ansprechpartner für Anfragen von Aussen,
  11. Die Vollversammlung endet mit einem gemeinsamen Ergebnisprotokoll. Das gemeinsame Ergebnisprotokoll wird in einer offenen Arbeitsgruppe vorbereitet und vom Pĺenum verabschiedet.

3. Koordinierungstreffen

Hier ist noch gar nichts ….

4. Geschäftstelle

  1. Es gibt eine Geschäftsstelle. 
  2. (Die Geschäftsstelle besteht im Moment aus Jürgen, Frank, Stefan, Janine)
  3. Die Geschäftsstelle wird von der Vollversammlung beauftragt.
  4. Die Geschäftsstelle muss der Vollversammlung über ihre Arbeit Bericht erstatten.
  5. Die Geschäftsstelle gewährleistet den organisatorischen Rahmen der Selbstvertretung Vereinter Wohnungsloser.
  6. Die Geschäftsstelle der Selbstvertretung Vereinter Wohnungsloser benötigt eine (öffentliche) Finanzierung. Die Finanzierung muss mindestens abdecken:
    - die jährlichen Wohnungslosentreffen/ Sommercamps
    - die Koordinierungstreffen im Frühjahr und Herbst
    - ggf. die Arbeitsgruppentreffen
    - die Arbeit der Geschäftsstelle selbst
    - alle weiteren Sach- und Honorarkosten
  7. Zur Beantragung von Fördermitteln bedarf es einer gemeinnützigen (Förder-)körperschaft (zur Zeit geschieht dies über die Stiftung Bethel)

5. Berichts- und Informationsstrukturen

Zu klären: Wer berichtet an wen und wie wird es verteilt und veröffentlicht?
Soll in der Gruppe erarbeitet werden

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