Die eigene Wohnung ist mit Abstand die beste Kältehilfe und der beste Schutz vor Corona!

Positionspapier zur Situation obdachloser und wohnungsloser Menschen angesichts der Corona-Pandemie-Maßnahmen
anläßlich des Koordinierungstreffens der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen vom 04.-06.11.2020 als Online Konferenz

1. Ist – Situation / Problembeschreibung

Menschen ohne Wohnung / auf der Straße:

Wie jeden Winter suchen viele obdachlose Menschen seit Jahrzehnten einen Schutz vor der Kälte und vor Erfrierung. Seit Jahren werden nur unzureichende zwangsgemeinschaftliche Kältehilfen, Erfrierungsschutzräume und ähnliche Provisorien bereit gestellt.

Diese sind vollkommen inakzeptabel:

  1. Abstandsregeln in Massenunterkünften einzuhalten ist nahezu unmöglich
  2. eine Privatsphäre ist so gut wie ausgeschlossen
  3. Räume müssen bei jedem Wetter morgens verlassen werden
  4. ...

Draußen auf der Straße erfrieren Menschen – weil die Kältehilfe unzumutbar ist, weil die Kältehilfeplätze nicht reichen, weil es nicht hinreichend bezahlbare Wohnungen gibt und weil Leerstand nicht für wohnungslose Menschen geöffnet wird.

Menschen sind auf der Straße, obwohl viele Wohnungen – oft aufgrund von Immobilienspekulationen – leer stehen.

Das Menschenrecht auf Wohnung gilt für alle Menschen – auch für wohnungslose Menschen!

Durch die Einschränkungen der Pandemie-Verordnungen kommen weitere Probleme hinzu, zum Beispiel:

  1. Lebensmittelausgabestellen und Tafeln werden geschlossen und damit die Lebensmittelversorgung für arme Menschen gefährdet
  2. viele Tagesbegegnungsstätten und öffentlich zugängliche Orte wie Bibliotheken, Hallenbäder usw. sind geschlossen: es ist nicht mehr möglich, sich mit anderen zu treffen, der Zugang zu Computern ist damit unmöglich
  3. der Zugang zu öffentlichem WLAN ist stark eingeschränkt
  4. weitere Anlaufstellen & Treffpunkte sind geschlossen (z.B. Bahnhofsmissionen); Beratungsstellen sind schwerer zugänglich,
  5. obdachlose Bürger werden im öffentlichen Raum vertrieben und jetzt auch noch zusätzlich sanktioniert, wenn sie keine Masken haben und tragen.
  6. Auch Tiere in Begleitung obdachloser Menschen („die besten Freunde“) leiden unter den Einschränkungen
  7. Wäschewaschen ist kaum möglich, die Körperhygiene ist stark eingeschränkt.
  8. Die medizinische Versorgung von Menschen auf der Straße ist extrem eingeschränkt: Aufnahmestop von Krankenhäusern und Wegfall von medizinischen Angeboten für obdachlose Menschen

Weitere Wohnungslosigkeit droht: Seit Jahren steigen die Mieten stärker als die Löhne, Einkommen und Sozialleistungen. Dadurch kommen immer mehr Menschen in die Notlage, ihre Miete nicht mehr bezahlen zu können und ihre Wohnung zu verlieren.
Viele Menschen sind durch Kurzarbeit oder die Schließung von Betrieben in ihrer Existenz bedroht und laufen Gefahr, ihre Mietwohnung zu verlieren.

Politische Arbeit, Vernetzung und Bildung: Corona-bedingt sind sehr viele Veranstaltungen abgesagt worden. Auch Veranstaltungen der Selbstvertretung müssen aufgrund der Vorschriften abgesagt werden: Das wirft uns im Aufbau einer Selbstvertretung zurück! Nur mühsam können wir unser Netzwerk aufrecht erhalten, viele Menschen werden ausgeschlossen, weil sie eben nicht die Möglichkeit haben, an den digitalen Treffen teilzunehmen.

2. Forderungen

Vor diesem Hintergrund fordert die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen:

  1. Notunterkünfte müssen tagsüber geöffnet bleiben (24/7)
  2. Obdachlose Menschen dürfen nicht bestraft werden, wenn sie in der Öffentlichkeit keine Maske tragen,
  3. Obdachlose dürfen nicht vertrieben werden, wenn sie sich in privaten Unternehmen, wie zum Beispiel Kaufhallen aufhalten und aufwärmen bzw. sanitäre Einrichtungen benutzen wollen; Wachdienste müssen entsprechend geschult werden.
  4. Aufstellung von Duschcontainern, Öffnung von Räumen, in denen Duschen und Wäsche waschen möglich ist, kostenfreier Zugang zu öffentlichen Toiletten
  5. Perspektivisch müssen Massenunterkünfte aufgelöst werden
  6. Beherbergungsbetriebe müssen geöffnet werden:
    - Unterbringung in Hotels mit Appartmentstruktur (individuelle Bad- und Küchenausstattung in Apartmenthotels)
    - Unterbringung in Einzelzimmern
    - Unterbringung in leerstehenden Ferienwohnungen
  7. Obdachlose Menschen sollen grundsätzlich in leerstehenden Wohnungen untergebracht werden
  8. Medizinische Versorgung ist ein Menschenrecht – auch für obdachlose Menschen! Das bedeutet
    - Kostenlose Corona-Tests auch für obdachlose Menschen
    - Mobile Artzpraxen für obdachlose Menschen einrichten
    - Obdachlosen Menschen müssen kostenlos Masken und Hygieneartikel zur Verfügung gestellt werden;
  9. obdachlosen Menschen ist digitale Teilhabe zu ermöglichen: Ausstattung mit Tablet, Smartphones, Prepaid-Karten, Powerbanks usw.
  10. Einrichtung eines gut ausgestatteten Fonds zur unkomplizierten Finanzierung von Hilfen für obdachlose und wohnungslose Menschen: das Argument, dass für obdachlose Menschen kein Geld da ist, darf nicht zählen
  11. Weitere Wohnungslosigkeit verhindern:
    - Mieten müssen bezahlbar werden, z.B. durch die Einführung eines Mietendeckels oder eine Mietpreisbremse.
    - Es darf keine Zwangsräumungen auf die Straße geben.
  12. Diejenigen, die untergebracht sind, benötigen Wohnungen.

Wir verlangen bezahlbare Wohnungen für alle!

Kontakt / Ansprechpartner und Vermittlung zu weiteren Gesprächspartnern aus der Selbstvertretung:

Koordinierungsstelle:
+49 -(0) 5448 – 88555
+49 - 177 784 73 37
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