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Am Bahnhof Griebnitzsee in Potsdam. Als Ersten treffe ich Stefan. Wir laufen auf dem Campus eine Weile in die falsche Richtung. Stefan fragt zwei Studenten nach dem Weg;

„Wir suchen das Haus D. Wie`doof`. Oder` Dora`.“ – „Oder wie `Da müssen Sie noch eine ganze Weile laufen.`“ erwidert der Student trocken. Ich muss lachen. Dann beschreibt er den Weg.

Kaum haben wir uns umgedreht, treffen wir auf Luise Turowski (Geschäftsführung Bethel, sie hat vermittelt), die sich gerade das Gelände von einem Bekannten zeigen lässt, welcher dort studiert. Minuten später tätigt sie einen Anruf und es stellt sich heraus, dass Frank und Janine sich am meisten verlaufen haben.

Wir gehen in die uns angegebene Richtung. Auf Höhe des Bahnhofs großes Hallo; Hanne-Lore, Uwe,  Volker und Arco sind auch angekommen. Sie sind mit dem Auto aus Lüneburg gekommen und haben am Vorabend viel spekuliert, wie das Treffen wohl wird und wie die Studierenden so sind.

Kurz vor der verabredeten Zeit befinden wir uns an der Rückseite des Hauses „D“, durch die großen Fenster können wir schon erkennen, dass in diesem Haus kreativ gearbeitet wird. Wir finden einen Durchgang, jetzt aber schnell. Wir müssen ins zweite Stockwerk. Dort warten sie schon an der Tür und begrüßen uns herzlich. Sie haben eine kleine Tafel mit liebevoll kleingeschnittenem Obst, Kaffee, Kuchen und Saft vorbereitet. Alle schütteln einander die Hände und stellen sich vor, die Vorfreude ist gegenseitig.

Michael und Jürgen sind auch schon da. Statt in einen Stuhlkreis setzen wir uns auf drei rote Ledersofas mit Rollen unten dran und würfelförmige gepolsterte Sitzgelegenheiten.

Zudem steht im Kreis auch ein Barhocker mit einem aufgeklappten Laptop darauf. An der Seite klebt ein Zettel mit dem Namen “ Clemens“. Die Studierenden stellen ihn vor, er kann aus terminlichen Gründen nur per Skype teilnehmen.

Mein Auge fällt auf eine weiße Tafel, an der mit Magneten einige liebevoll gestaltete Papierausschnitte befestigt sind. Das Logo von Bethel, auch die Frage „wer sind wir“(s. Fotos). Die Dozentin, Claudia Nikolai, macht den Vorschlag, uns erst einmal reihum vorzustellen.
Frau Turowski und Frank erzählen vom letzten erfolgreichen gemeinsamen Projekt, bei dem sie die Erfahrung machten, dass das Endergebnis ein verblüffend anderes war, als sie erwartet hatten. Das weckt das Interesse, die Neugierde, die Begeisterung  noch mehr.
Wir halten uns alle relativ kurz bei der Vorstellung. Teilweise kommen die Studierenden aus anderen Ländern (Iran, USA, Frankreich). Sie sprechen sehr gut Deutsch. Sie erzählen, dass sie neben der „D-School“ (D wie Design Thinking) noch verschiedensten anderen Tätigkeiten nachgehen, teilweise einen weiteren Studiengang absolvieren.

Den Auftrag vom Projekt „Wohnungslosentreffen Freistatt“ nennen sie eine Challenge (engl. für Herausforderung). Zweimal die Woche treffen sie sich hier für acht Stunden, arbeiten in 8 Teams mit je 5 Teilnehmern, die je noch Unterstützung von zwei Coaches bekommen. In den Teams sollen Gestaltungsideen entwickelt und Meinungen eingeholt werden. Es gibt aber auch regelmäßig Treffen mit allen. Wir fragen nach der Hierarchie in den Teams und bekommen zur Antwort, dass es da keine festgelegte Struktur gibt, es sei ein Miteinander, die Coaches haben mehr Erfahrung, dennoch gebe es keine spürbare Hierarchie, auch „Ideenklau“  sei okay, das mache auch die Teamarbeit aus; „Bau auf den Ideen anderer auf.“  Die Ideenfindung sei ein Prozess, der sich zum einen an der Ergebnisoffenheit vor allem aber am Menschen orientiere. Die Rahmengestaltung solle bedürfnisorientiert sein.

Laurenne aus Frankreich stellt im Verlauf die Frage, wer eigentlich „Wir“ ist und lenkt damit die Unterhaltung auf Wohnungslosigkeit im Allgemeinen und im  Besonderen. Jürgen und Michael vertreten das Armutsnetzwerk, erzählen von der internationalen Zusammenarbeit und Jürgen betont, dass es gar keine Grenzen geben sollte, es sollte nicht nur europaweit sondern weltweit vernetzt werden.

Wir erzählen von den Erfahrungen und Veränderungen, die bei uns durch den Aufenthalt im Sommercamp 2016 und den Willen zum Engagement im Projekt „Wohnungslosentreffen Freistatt“ entstanden sind. Uwe erzählt, wie er dank Freistatt aufgehört hat zu trinken. Volker erzählt von seinem geplanten Trommelworkshop im Sommer beim Wohnungslosentreffen. In der Runde gibt es viele Menschen, die sich wünschen, anderen Menschen helfen zu können. Die Begeisterung ist spürbar.

Robin demonstriert anhand der Tafel, wie das kreative Arbeiten von statten gehen kann. Er verschiebt die einzelnen Papierzuschnitte, befestigt sie mit den Magneten, nimmt sich einen Stift, macht Pfeile, schreibt etwas dazu. Wir helfen mit und greifen die aufgeschriebenen / ausgeschnittenen Schlagworte auf.
Dann erfahren wir, dass es am Hasso Plattner Institut bereits ein anderes Projekt zum Thema Wohnungslosigkeit gibt. Spontan verabreden wir einen Termin für eine Exkursion, ein Treffen in Berlin, wo wir uns in die Straßenszene begeben wollen. Stefan lädt die  Studierenden außerdem auf einen Besuch nach Freistatt ein.

Am 27.07.2017 ist offiziell Projektende, das ist genau in der Woche des Wohnungslosentreffens. Es wird auf eine Präsentation auf Deutsch(vor der Institutsinternen, die auf Englisch gehalten wird) hingearbeitet, die wir in Freistatt  vorgestellt bekommen.

Nach zweieinhalb Stunden sind alle voll von Input. Wir beenden die offizielle Veranstaltung und unterhalten uns noch ein wenig in kleineren Grüppchen. Es war eine konzentrierte, hochspannende und begeisternde Veranstaltung. Die Studierenden sind offen und freundlich und das Projekt „Wer sind wir?“ wird sicherlich hilfreich für das Weiterkommen des Projektes „Wohnungslosentreffen Freistatt“ sein.

Aufgeschrieben von Janina (Hannover)