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Cela - Vagabund im Dienste Spaniens - Ausschnitt vom CoverZur Einführung

Wenn der Vagabund seine Reisen methodisch und wissenschaftlich machen würde, könnte er sie gewiß irgendwie miteinander verbinden, so daß durch ihre Ineinanderfügung, etwas wie die Geographie Spaniens entstehen würde. aber da der Vagabund seine Wanderungen auf gut Glück und wie es gerade kommt unternimmt - was auch seine Spielregeln hat und durchaus nicht ohne Methode ist -, bleiben seine Bücher Einzelstücke, was vielleicht auch bes­ser ist.

Den Miño hinter sich lassen. um bis zur Quelle des Bidasoa zu gelangen; Navarra durchqueren hinab bis La Rioja; Soria und Burgos durchwandern, um Palencia und das König­reich León zu erreichen; nach Avila durch die salmantinische Pforte Béjar gelangen; Segovia durchqueren, um den Weg in die Alcarria einzuschlagen; Madrid und die Mancha von Toledo, von Cuenca, von Albacete und von Ciudad Real begehen; sich der portugiesischen Grenze über Extremadura nähern: die vier oder fünf Andalusien durchwandern; einen Blick auf Murcia werfen; von Süden nach Norden das maurische Königreich Valencia passieren; das goldgelbe, geheimnisvolle Aragonien durchstreifen; das Prinzipat Katalonien vorn Arántal bis zum Ebro-Delta durchmessen und sich in Salou einschiffen wie König Jaime, um zum Schreiben nach dem mediterranen Mallorca zu fahren - die Augen auf die fernen atlantischen Kanaren gerichtet, gewiß ein lohnender Blick -, das wäre ohne Zweifel ein schönes Experiment. Der Leser wird gewiß begreifen, daß dieses schöne Experiment für einen einzigen Vagabunden nicht durchführbar ist, und sei er noch so guten Willens.

Der Vagabund, unser Vagabund, ist zwar ein Mann guten Willens, aber seine Zeit ist begrenzt und seine Mittel desgleichen. Folglich sind seine Vagabundereien - und er bittet deshalb tausendmal um Verzeihung - immer ein wenig bruchstückhaft und unvollständig, ein wenig zusammenhanglos und nicht abgerundet. Mehr gibt das Leben nicht her. Wenn der Staat nicht so starr und unsentimental, wenn er patriotischer und feinfühliger wäre, könnte man ihn darum bitten, daß er, natürlich in aller Form, eine Reihe Vagabunden bestellte, die ihm Spanien erklären, jenes Ding da, das der spanische Staat von jeher ignoriert hat. Unter diesen Vagabunden müßte man eine Ausnahme machen: die des Unterzeichners; die Gründe liegen auf der Hand.

Camilo José Cela: Ein Vagabund im Dienste Spaniens. München- Zürich/ Piper, 1990, 5-6