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Konzept für eine Koordinierungsstelle der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen / Wohnungslosentreffen

Inhaltsverzeichnis
1. Hintergrund
2. Strategische Ziele & Aufgaben
3. Grundsätze
4. Aufgaben
5. Arbeitsbereiche
6. Technisches / Organisatorisches
7. Personalbedarf / Finanzbedarf

1. Hintergrund

  1. Projekt Teilhabe und Selbstorganisation. Im Rahmen des ergebnisoffenen Projekts Teilhabe und Selbstorganisation wohnungsloser und ehemals wohnungsloser Menschen fanden in den Jahren 2016, 2017 und 2018 jeweils einwöchige Wohnungslosentreffen mit etwa 60 – 120 Teilnehmenden statt und dazwischen jeweils im Frühjahr und Herbst Koordinierungstreffen mit etwa 25 – 35 Teilnehmenden und darüber hinaus noch weitere Treffen von Arbeits- oder Initiativgruppen.

  2. Selbstvertretung. Während auf dem Wohnungslosentreffen 2016 noch die Frage: „Wer sind wir?“ im Mittelpunkt stand, wurde auf dem Wohnungslosentreffen 2017 mit unterschiedlichen Ansätzen (Mutterschiff, Kernprozess, Plenum usw.) experimentiert. Im Herbst 2017 hat die Gruppe sich den Namen „Selbstvertretung Vereinter Wohnungsloser“ gegeben, aktuell wird die Bezeichnung „Selbstvertretung wohnungsloser Menschen“ benutzt. Dazu hat die Gruppe ein Leitbild entwickelt. Der Aufbau, die Stabilisierung und Weiterentwicklung einer solchen Selbstvertretung wohnungsloser Menschen ist das gemeinsame Anliegen der beteiligten Menschen.

  3. Arbeitsformen, Assistenz und Emanzipation. Auf dem Wohnungslosentreffen 2018 konnte auf dieser Basis weitgehend inhaltlich im Plenum und in Arbeitsgruppen gearbeitet werden: Durchgesetzt hat sich als Arbeitsform das Konzept der moderierten Gruppenarbeit im Kreis (vgl. Thinking Circle) sowohl im Plenum als auch in kleineren und größeren Arbeitsgruppen sowie eine Dokumentation in Form von gemeinsam erarbeiteten Ergebnisprotokollen. M.a.W. es geht darum, wohnungslose Menschen in die Lage zu versetzen, ihre Interessen, Sichtweisen und Erfahrungen selbstbestimmt zu artikulieren und zu vertreten. Dafür benötigen sie in unterschiedlichen Graden Assistenz, die aber niemals die beteiligten Menschen instrumentalisieren darf. Zugleich sind vielfache persönliche Entwicklungen und Emanzipationsprozesse beobachtbar, die es zu fördern gilt.

  4. Ergebnisse. Zentrale Ergebnisse des Wohnungslosentreffens 2018 sind

    1. Trauer und Zorn - Erklärung zu den Brandanschlägen in Berlin
    2. Das Fünf-Punkte-Programm der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen
    3. Die Abschluss-Erklärung der Selbstvertretung zur aktuellen Situation und zur Weiterarbeit
    4. Das Positionspapier der Frauengruppe
    5. Das Konzept des europäischen Netzwerks HOPE für eine Europäische Karawane für Wohnen für Alle, Respekt und Menschenrechte [European Caravan for housing for all, respect and human rights (in englisch)]
    6. Stellungnahme zum Entschließungsantrag der SPD/CDU und FDP für die Weiterentwicklung der Hilfen für wohnungslose Menschen in Niedersachsen.

  5. Struktur. Damit hat sich als Struktur herausgebildet
    ◦ jährliche einwöchige Wohnungslosentreffen als Vollversammlung
    ◦ Koordinierungstreffen im Herbst & Frühjahr
    ◦ die Arbeit einer Koordinierungsstelle für die inhaltlichen und organisatorischen Arbeiten

  6. Bedarfe/ Finanzierung. Für die Fortführung der Wohnungslosentreffen und Koordinierungstreffen 2019 – 2021 gibt es eine Finanzierungsperspektive über eine Antragstellung bei Aktion Mensch, darüber hinaus hat die Einrichtung Herzogsägmühle in Bayern erklärt, Veranstaltungsort für das Wohnungslosentreffen 2019 zu sein,

    Bisher offen ist die Frage einer Perspektive für eine Koordinierungsstelle.

2. Strategische Ziele & Aufgaben

Mitr Einrichtung einer Koordinierungsstelle sind vier zentrale Aufgaben verbunden:

  1. Sicherstellung der Struktur und der Weiterführung der inhaltlichen Arbeit. Die bisher entwickelten Strukturen der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen sollen weiter fortgeführt werden. Das betrifft vor allem die Organisation der Wohnungslosen- und Koordinierungstreffen, sowie die Vorbereitung, Durchführung, Auswertung und Dokumentation von weiteren Veranstaltungen wie Tagungsbeteiligungen, Präsentationen der Arbeit, Öffentlichkeitsarbeit usw.

  2. Transformation und Transfer. Die bisherige Struktur wurde vom einen professionellen Team und einem hauptamtlichen Koordinator sicher gestellt. In einem Entwicklungsprozess geht es darum, vor allem die Arbeit des hauptamtlichen Koordinators Schritt für Schritt zu übertragen an wohnungslose und ehemals wohnungslose Menschen, die bereit sind, sich im Kontext einer Koordinierungsstelle zu engagieren. Mit anderen Worten: Die Arbeit der Koordinierungsstelle soll von einem Team von 3-7 Menschen (Richtgröße) gewährleistet werden, dass Schritt für Schritt aufgebaut werden soll. Die Arbeiten des hauptamtlichen Koordinators sollen Schritt für Schritt von der Gruppe übernommen werden, so dass perspektivisch der Koordinator nur mehr noch moderierende/ beratende / unterstützende Funktionen übernimmt.

  3. Rechtsform und Körperschaft. Die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen wollte die Frage nach einer Rechtform nicht vorschnell beantworten, sondern hat die Stiftung Bethel gebeten, bis auf weiteres die organisatorischen Aufgaben weiter zu übernehmen. Möglicherweise möchte die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen – was die Rechtsform angeht – nicht mehr sein als ein offenes soziales Netzwerk von aktiven Menschen, Gruppen, Initiativen. Gleichwohl muss mittelfristig geklärt werden, in welcher unabhängigen Rechtsform wenigstens die organisatorische Basis organisiert sein soll. Das heißt konkret: Die Koordinierungsstelle sollte die Frage nach der Rechtsform: Förderverein, Organisationsverein, Stiftung, Sozialgenossenschaft usw. weiter vorantreiben und versuchen, mit den Teilnehmenden der Selbstvertretung hierzu konkrete Perspektiven zu entwickeln.

  4. Aufbau von Gruppen. Bislang noch nicht befriedigend gelöst ist die Frage, wie und unter welchen Voraussetzungen jenseits der zentralen Wohnungslosen- und Koordinierungstreffen der Aufbau regionaler Gruppen gelingen kann. Ein erster Ansatz mit einer Gruppe aus Hamburg scheiterte daran, dass zwischen konkreten Aufbauproblemen und übersteigerten Erwartungen eine tragende Perspektive nicht entwickelt werden konnte. Ein weiterer Ansatz mit einer Gruppierung aus Frankfurt kam ins Stocken wegen persönlicher Differenzen. Hier wäre zum einen zu prüfen, ob und inwieweit es möglich ist, bestehende Kontakte zu Menschen in Lüneburg, Edewecht, Hannover, Nordhorn, Freistatt, Diepholz, Wilhelmshaven und anderen Orten soweit voranzubringen, dass hier von nennenswerten und stabilen Gruppenaktivitäten die Rede sein kann. Es sollte die Aufgabe der Koordinierungsstelle sein, bestehende Kontakte zu pflegen, Menschen zu motivieren und gemeinsam in eine methodische Suchbewegung einzutreten.

3. Grundsätze

  1. Leitbild. Die Koordinierungsstelle orientiert sich am Leitbild der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen. Das bedeutet im Wortlaut:

    Wir sind die Koordinierungsstelle [i.O.Plattform] der Selbstvertretung wohnungsloser und ehemals wohnungsloser Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben. Wir engagieren uns für eine bessere Welt, die Überwindung von Armut, Ausgrenzung, Missbrauch, Entrechtung und Wohnungslosigkeit sowie für die Verbesserung konkreter Lebenssituationen: Alles verändert sich, wenn wir es verändern!

    Wir sind unterschiedlich und vielfältig. Die Arbeit der Koordinierungsstelle wird unterstützt durch [i.O. Wir sind] Gruppen, Vereine, Einzelpersonen, Projekte, Initiativen, Unterstützende und Gleichgesinnte. Wir vernetzen uns und arbeiten auf Basis selbstbestimmter Regeln zusammen.

  2. Offenheit. Die Koordinierungsstelle befindet sich an einem Ort, der für alle zugänglich ist und wo es keinen Konsumzwang gibt. Die Koordinierungsstelle ist offen für alle, die daran mitarbeiten wollen und grenzt keinen aus.

  3. Gruppenarbeit. Die Koordinierungsstelle arbeitet als (moderierte) Gruppe. Nicht ein einzelner Mensch, sondern eine Gruppe übernimmt die anfallenden Arbeiten (Zielperspektive).

  4. Auftraggeber. Die Koordinierungsstelle setzt die Vorgaben des Wohnungslosentreffens und der Koordinierungstreffen um und kann im Fall vorhandener Kapazitäten in Abstimmung mit dem Netzwerk weitere Anfragen und Anliegen bearbeiten, Aktionen vorbereiten und durchführen.

  5. Selbstverpflichtung. Die Koordinierungsstelle reagiert zeitnah auf alle Anfragen, Anliegen und Anregungen wohnungsloser und ehemals wohnungsloser Menschen, mit denen sie konfrontiert wird, im Rahmen ihrer Möglichkeiten.

  6. Transparenz. Die Koordinierungsstelle dokumentiert ihre Arbeit: Es gibt gemeinsame Ergebnisprotokolle von den Besprechungen und den Verabredungen, die Informationen werden allen zur Verfügung gestellt (z.B. per email)

4. Aufgaben

  1. Kontakt zu wohnungslosen und ehemals wohnungslosen Menschen, die an der Selbstvertretung mitwirken wollen, aufnehmen, aufrecht erhalten und pflegen
    - z.B. über Newsletter, Email, Whatsapp, Facebook, Telefon

  2. Unterstützung des bestehenden Netzwerks auf Anfrage, z.B. für Einzelvorhaben, für neue Projekte, technische Hilfe bei Flugblätter, Einladungen, Plakaten, Video- oder Audioclips, Webseitenbearbeitung usw.

  3. Kontakte und Kommunikation zu Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe wie z.B. Beratungsstellen, Tagestreffpunkten, Notübernachtungen, Straßenzeitungen, stationären Einrichtungen
    - Beratung in Fragen von Teilhabe und Selbstvertretung

  4. Kontakte zur Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Kultur, Wirtschaft, Forschung
    - Bearbeitung von Anfragen und Anliegen aller Art

  5. Planung/ Vorbereitung/ Abstimmung/ Durchführung/ Nachbereitung / Auswertung von
    ◦ Wohnungslosentreffen
    ◦ Koordinierungstreffen
    ◦ Fortbildungen / Qualifikationen

  6. Unvorhergesehene Anforderungen, die sich im Verlauf der Arbeit durch Anfragen wohnungsloser Menschen ergeben

5. Arbeitsbereiche

  1. Grundsätze: Strategische Planung, Meilensteine, Projektentwicklung

  2. Kommunikation nach innen (wohnungslose und ehemals wohnungslose Menschen)
    • zu Einzelpersonen
    • zu organisierten Gruppen (Armutsnetzwerk usw.)
    • zu thematischen Gruppen (Wohnungsbau, Selbsthilfe, medizinische Versorgung/ Soforthilfen/ Frauen)
    • zu regionalen Gruppen (Hannover / Freistatt/ Edewecht/ Lüneburg usw.)

  3. Kontakte zu europäischen und weltweiten Partnern / Austausch / Netzwerkarbeit

  4. Organisation von Veranstaltungen wohnungsloser Menschen
    ◦ Wohnungslosentreffen
    ◦ Koordinierungstreffen Frühjahr / Herbst
    ◦ Fortbildungen / Qualifizierungen
    ◦ Veranstaltungsbeteiligungen

  5. Organisation von Aussenvertretung (Beteiligung an Tagungen, Veranstaltungen, Fachtagen, usw.)

  6. Pressearbeit / Medienarbeit / Webseite / Social Media / Radio/ Video

  7. Finanzierung/ Antragsstellung / Spenderbetreuung / Fundraising

  8. Dokumentation / Archiv/ Datensicherung

6. Technisches / Organisatorisches

  1. Büro der Koordinierungsstelle Haus Wegwende

    ◦ Ein von den wohnungslosen Teilnehmenden akzeptierter Ort
    ◦ Ruhiges & fokussiertes Arbeiten möglich
    ◦ genug Platz für 3-5 Arbeitsplätze
    ◦ gute drinnen / draussen Situation
    ◦ Gästezimmer für externe, die für Arbeitsvorhaben dazu kommen

  2. Computer. Für den Anfang: drei Internetfähige Rechner mit Drucker (ab Oktober 2018 vorhanden als Spende)

  3. Internet. Schneller Internetanschluss Telefonanschluss

  4. Büroausstattung. Schreibtische, Bürostühle, Besprechungstisch, Planungswand, Flipchart, Beamer, Leinwand, Lautsprecheranlage, Aktenschrank, Aktenordner, Papier, Büromaterial

7. Personalbedarf / Finanzbedarf

  1. Personal.
    2,5 VK Stellen
    für den Zeitraum von 3 Jahren 2019 - 2021 unter der Maßgabe von 2.2. Kompetenztransfer
    ◦ 1 Stelle Leitung / Grundsatzfragen/ Kompetenztransfer
    ◦ 1 Stelle Interne Kommunikation / Aufbau von Gruppen
    ◦ 1 Stelle Veranstaltungsvorbereitung / Organisatorisches/ Antragstellung
    ◦ 1 Stelle Externe Kommunikation Medienarbeit / Webseite / Social Media
    ◦ 1 Stelle Verwaltung / Buchhaltung / Spenderbetreuung

  2. Honorarkosten für Praktikant*innen

  3. Sachkosten

  4. Kosten für Fortbildung

  5. Reisekosten

Freistatt, 04.10.2018
Frank Kruse/ Dr. Stefan Schneider